FEED - Viruszone
entriegelte sich, und ich trat ins Badezimmer hinaus und griff nach meiner Hautcremeflasche.
Chlorhaltige Desinfektionsmittel und menschliche Haut vertragen sich nicht gut miteinander. Die Lösung: eine säurebasierte Lotion, die normalerweise auf irgendeinem Zitrusauszug beruht und hilft, den Schaden zu reparieren. Vor dem Erwachen haben Profischwimmer so etwas verwendet, nun nehmen es alle. Außerdem trägt die Lotion dazu bei, Menschen, die sich kürzlich geschrubbt haben, eine standardisierte Duftmarke zu verpassen. Meine Lotion war so geruchsarm wie möglich, aber trotzdem verströmte sie eine leichte, nervige Zitrusnote wie von Putzmittel.
Ich rieb mich mit der Lotion ein und ging dann in mein Zimmer, wobei ich rief: »Shaun, das Bad gehört dir!« Ich schloss die Tür im selben Moment, in dem seine sich öffnete und weißes Licht in den Raum strömen ließ. Das ist fast immer so. Wir haben ein sehr gutes Timing.
Ich nahm meinen Bademantel von der Türinnenseite und streifte ihn auf dem Weg zum großen Schreibtisch über. Der Monitor schaltete sich automatisch ein, als ich mich näherte, und zeigte das Hauptmenü. Unser Computersystem geht niemals offline. Hierher wird die Mail an die Gruppe umgeleitet, nach Betreff und Kategorie in verschiedene Ordner sortiert – ich kriege die Nachrichtenthemen, Shaun die Action, und alles Fiktive geht direkt an Buffy. Außerdem landet der Verwaltungskram bei mir – mit dem kommt Shaun nicht klar, weil er ein zu großer Idiot ist, und Buffy nicht, weil sie zu unzuverlässig ist. Offiziell sind wir ein Kollektiv, aber in der Praxis schmeiße ich den Laden alleine.
Nicht, dass ich etwas gegen die Verantwortung einzuwenden hätte, außer, wenn mein Postfach in albtraumhafter Weise überquillt. Es ist schön zu wissen, dass unsere Lizenzen bezahlt werden, dass wir gut mit dem Verbundnetz stehen, von dem unsere Akkreditierung abhängt, und dass uns derzeit niemand wegen übler Nachrede verklagt. Unsere Quoten sind ziemlich stabil. Shaun und Buffy erreichen mindestens zweimal im Monat die obersten zehn Prozent in der Bay Area, und ich halte mich konstant im Bereich von dreizehn bis siebzehn Prozent, was für eine reine Newsie nicht übel ist. Ich könnte meine Quoten verbessern, wenn ich auf Multimedia machen würde und meine Berichte nackt vortrage, aber im Gegensatz zu gewissen anderen Leuten geht es mir immer noch um den Informationsgehalt.
Shaun, Buffy und ich veröffentlichen alle auf unseren eigenen Blogs und unter unseren eigenen Namen, weshalb ich so verdammt viele Zuschriften kriege. Allerdings laufen all diese Blogs im Netzwerk von Bridge Supporters , dem zweitgrößten Portaldienst Nordkaliforniens. Leser und Zufallsbesucher kriegen wir dadurch, dass wir auf ihrer Startseite gelistet sind, und sie kriegen einen Teil unserer Einnahmen aus allen Zweitverwertungen und Werbeverträgen. Wir schlagen uns schon seit einer Weile allein durch. Ursprünglich waren wir Betablogger in einer Welt von Alphas, doch inzwischen sind wir kleine Alphas, die ein eigenes Territorium zu verteidigen haben. Das ist nicht einfach. Man braucht eine Story oder einen Beitrag, der so groß und einzigartig ist, dass man seine Leserschaft bindet, und unsere Quoten sind dauerhaft nicht gut genug, um Sponsoren auf uns aufmerksam zu machen.
Mein Posteingang war mit dem Abrufen meiner Mails fertig. Ich schaute die Nachrichten durch, mit einer Geschwindigkeit, die halb von jahrelanger Übung herrührte und halb von meinem Bedürfnis, zum Abendessen runterzugehen. Spam; eine falsch weitergeleitete Kritik von Buffys jüngster Gedichtsammlung, »Verfall der menschlichen Seele: I bis XII«; die Androhung einer Klage für den Fall, dass wir nicht aufhörten, das Bild des infizierten, umherschlurfenden Onkels von irgendjemandem zu zeigen – der ganze übliche Mist. Ich griff nach der Maus, um das Programm zu minimieren und aufzustehen, als mir eine Nachricht am unteren Bildschirmrand ins Auge fiel.
DRINGEND – BITTE ANTWORTEN – SIE WURDEN AUSGEWÄHLT.
Ich hätte die Nachricht als Spam abgetan, wäre da nicht das erste Wort gewesen: dringend. Seit dem Erwachen haben die Leute damit aufgehört, mit diesem Wort um sich zu schmeißen wie mit Konfetti. Die Gefahr, den Hinweis darauf zu übersehen, dass die eigene Mutter soeben von Zombies aufgefressen worden war, hielt die Leute davon ab, einander größere Schwänze anzubieten. Neugierig klickte ich auf die Betreffzeile.
Fünf Minuten später, als
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