FEED - Viruszone
Shaun die Tür zu meinem Zimmer öffnete und ganz selbstverständlich eintrat, saß ich immer noch da und starrte auf den Monitor. Mit Shaun zusammen kam eine Flut weißen Lichts herein und stach mir in die Augen, aber ich zuckte kaum zusammen. »George, Mom sagt, wenn du nicht gleich runterkommst … George?« Eine Spur echter Sorge klang aus seinem Tonfall, als er sah, wie ich dasaß, dass ich keine Sonnenbrille aufhatte und mich genau genommen noch nicht mal angezogen hatte.
»Ist alles in Ordnung? Buffy ist in Ordnung, oder?«
Wortlos deutete ich auf den Monitor. Shaun trat hinter mich, schaute mir über die Schulter und las still. Weitere fünf Minuten vergingen, bevor er behutsam und mit gedämpfter Stimme fragte: »Georgia, ist das das, wofür ich es halte?«
»M-hm.«
»Sie haben wirklich … das ist kein Witz?«
»Da ist das Bundessiegel. Das Einschreiben dürfte morgen früh ankommen.« Ich drehte mich zu ihm um und grinste dabei so breit, dass ich das Gefühl hatte, mir gleich etwas auszurenken. »Sie haben unsere Bewerbung angenommen. Sie haben uns ausgewählt. Wir machen es.
Wir berichten über die Präsidentschaftswahlkampagne.«
Wir Blogger haben Dr. Alexander Kellis, dem Erfinder der irreführend benannten »Kellis-Grippe«, viel zu verdanken – ebenso Amanda Amberlee, die als erster Mensch erfolgreich mit dem modifizierten Filovirus infiziert wurde, den Forscher »Marburg-Amberlee« getauft haben. Vor ihnen war man der Meinung, dass Bloggen vor allem etwas für gelangweilte Teenager wäre, die über das Ausmaß ihrer Depressionen berichten wollten. Manche Leute bloggten über Politik und Nachrichten, aber diese Leute galten in erster Linie als versponnene Verschwörungstheoretiker und als Menschen, deren Ansichten zu ätzend für den Mainstream waren. Die Blogosphäre stellte keine Bedrohung für die traditionellen Nachrichtenmedien dar, nicht einmal, als sie langsam einen Platz auf der Bühne der Weltöffentlichkeit erlangte. Man betrachtete uns als »kurios«. Dann kamen die Zombies, und alles wurde anders.
Die »richtigen« Medien waren an Gesetze und Regularien gebunden, während die Blogger durch nichts eingeschränkt wurden außer durch die Geschwindigkeit, mit der sie tippen konnten. Wir haben als Erste darüber berichtet, dass Personen, die man für tot erklärt hatte, wieder aufstanden und ihre Verwandten auffutterten. Wir waren diejenigen, die den Mut hatten, offen auszusprechen: »Ja, es gibt Zombies, und ja, sie töten Menschen«, während der Rest der Welt sich noch über den furchtbaren ökoterroristischen Anschlag ereiferte, bei dem ein unzureichend getestetes »Heilmittel für den gemeinen Schnupfen« freigesetzt worden war. Wir haben den Leuten Tipps zur Selbstverteidigung gegeben, als alle anderen gerade erst einräumten, dass wir möglicherweise ein Problem hätten.
Die frühen Berichte der großen Sender sind trotz der Proteste der Medienkonglomerate online archiviert. Ab und an klagen sie, um die Beiträge verschwinden zu lassen, aber irgendwer Neues stellt sie immer wieder online. Wir werden niemals vergessen, wie sehr man uns verraten hat. Auf den Straßen starben die Menschen, während die Nachrichtensprecher Witze über Leute machten, die ihre Zombiefilme zu ernst nähmen und Videomaterial einspielten, das angeblich »herumblödelnde Teenager« in Latexmasken und schlechter Theaterschminke zeigte. Laut der Zeitstempel dieser Berichte ging der erste an dem Tag auf Sendung, an dem Dr. Matras von der Seuchenschutzbehörde die nationalen Sicherheitsbestimmungen verletzte, um auf dem Blog seiner elfjährigen Tochter genaue Informationen über die Infektion zu veröffentlichen. Noch fünfundzwanzig Jahre später läuft es mir bei seinen Worten – klare, vernichtende und schonungslose Worte vor einem Hintergrundbild mit fröhlichen Teddybären – eiskalt über den Rücken. Ein Krieg war im Gange, und diejenigen, die dafür verantwortlich waren, uns zu informieren, wollten nicht einmal zugeben, dass überhaupt gekämpft wurde.
Aber einige Leute wussten Bescheid und riefen ihr Wissen ins Internet hinaus. Ja, die Toten erheben sich, sagten die Blogger: Ja, sie greifen Menschen an. Ja, es ist ein Virus, und ja, es besteht die Möglichkeit, dass wir den Krieg verlieren, wenn wir die Vorgänge nicht begreifen, bevor die ganze verdammte Welt sich infiziert hat. Ab dem Moment, in dem Dr. Kellis’ Heilmittel in die Atmosphäre gelangte, hatten wir keine andere Wahl mehr, als
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