Feenfuchs und Feuerkuss
Meinem Pferd geht es nicht gut zurzeit.“
„Dein Pferd heißt Ophelia?“,
hakte er nach.
„Ja.“
„ Hamlet sagt dir nichts, oder?“
Luisa fühlte sich ertappt. „Nein“,
gab sie zerknirscht zu und nahm sich vor, es nachzugucken, wenn sie nach Hause
käme.
Sam atmete tief durch. „Dann hol
mal deinen Fahrradhelm.“
5 Finsternis
Ungläubig betrachtete Luisa das
Spektakel, das sich ihr bot. Nachdem Sam sie am Gestüt abgesetzt hatte und
wieder gefahren war, hatte sie Ophelia nicht in ihrer Box vorgefunden. Luisa
war zum Springplatz geschlichen, wo sie ihr Pferd vermutete. Sie blieb im
Schatten eines Baumes stehen, um unentdeckt den Beritt beobachten zu können.
Doch jetzt wünschte sie sich, sie hätte es nicht getan. Denn als sie Ophelia
nun erblickte, hielt sie erschrocken die Luft an und die Hoffnung, dass die
Angestellte des Gestüts ähnlich talentiert und einfühlsam wie Jonathan ritt,
zerschlug sich. Sie erkannte, dass die Frau mit Schlaufzügeln arbeitete. Ophelia
galoppierte mit unruhig schlagendem Schweif auf einem verkleinerten Zirkel. Die
Bereiterin zog den Kopf des Pferdes mit Hilfe der Schlaufzügel so tief, dass
die Fuchsstute sich fast in die Brust biss. Als wäre das noch nicht schlimm
genug, zischte immer wieder die Gerte auf die verschwitzte Kruppe ihres Pferdes.
Luisa wandte sich fassungslos ab
und rannte auf das Haupthaus zu. Es war ihr in diesem Moment vollkommen egal,
ob sie sich vielleicht Ärger mit ihrer Mutter einhandelte. Sie würde jetzt
diesen Friedrich Lichthang zur Rede stellen. Und sein scheinheiliger Sohn
konnte sich auch auf etwas gefasst machen!
Sie hastete die Treppe hinauf,
schob die massive Holztür auf und blieb in der lichtdurchfluteten Eingangshalle
stehen, um sich kurz zu orientieren.
Durch eine nur angelehnte Tür
rechts neben ihr drang eine erregte Stimme: „Was glaubst du eigentlich, warum
wir die Frühjahrsauktion veranstalten? Zum Vergnügen?“ Die tiefe Stimme von
Friedrich Lichthang wurde immer lauter. „Die Umsätze müssen einfach besser
werden. Und du sorgst ja nicht gerade erfolgreich dafür, dass die Anfragen für den
Deckhengst steigen.“
Luisa trat auf die Tür zu, neben
der ein Pferdegemälde an der hellgelb gestrichen Wand mit reichlich weißem
Stuck hing.
„Ist doch nicht meine Schuld,
dass Alcantarro auf Hallenturnieren nicht so springt wie Zuhause.“
„Nicht deine Schuld? Dass ich
nicht lache! Du bist dir anscheinend gar nicht bewusst darüber, dass du Zuhause
viel einfühlsamer reitest als auf Turnieren. Dein Ehrgeiz vor Publikum
überfordert das junge Pferd.“
„Du musst dich auch mal
entscheiden, was du willst. Sportlicher Erfolg oder…“
Herr Lichthang fiel Jonathan ins
Wort und kam jetzt richtig in Fahrt: „Ich will, dass du Verantwortung
übernimmst. Du bist schließlich das Aushängeschild für unser Gestüt.“
Luisa verzog betroffen das
Gesicht, anscheinend war sie nicht die einzige, die Probleme mit ihren Eltern
hatte.
Da hörte sie auch schon Jonathans
empörte Stimme: „Du kannst froh sein, dass ich mich komplett für das Gestüt aufopfere
und mich als Aushängeschild hergebe. Schwing dich doch mal selbst wieder in den
Sattel. Du verkriechst dich aber lieber hinter deinem Schreibtisch. Außerdem,
die letzten drei Bereiter, die du angestellt hast, sind total unfähig. Erst
gestern hat sich die Tochter von Frau Frost beschwert, weil sie ihr Pferd
verängstigt vorgefunden…“ Als es gerade richtig interessant wurde, öffnete sich
schwungvoll die Eingangstür.
Erschrocken fuhr Luisa herum. Die
Frau von Herrn Lichthang kam über das glänzende Parkett auf sie zu stolziert. „Hat
man dir nicht beigebracht, dass es unhöflich ist, an fremden Türen zu lauschen?“,
bemerkte die rothaarige Frau abfällig.
„Ich habe nicht…“, stammelte
Luisa und brach ab. Es war zu offensichtlich. Sie machte einen Schritt zurück,
weil die Rothaarige ihr immer näher kam und prallte plötzlich gegen jemanden: Jonathan,
der gerade aus dem Zimmer gestürmt kam.
„Hoppla“, sagte er, fasste sie an
den Schultern und drehte sie zu sich um.
Luisa blickte erstaunt zu ihm
auf. Seine goldblonden Augenbrauen waren tief zusammengezogen und sein hübscher
Mund missmutig verkniffen. Doch er besann sich auf seine guten Manieren. „Luisa
Frost, darf ich vorstellen: Meine Stiefmutter Susanne Lichthang. Suzi, dass ist
Luisa Frost. Ihre Mutter hat am Sonntag ihr Pferd zu uns gebracht.“
Seine Stiefmutter beachtete ihn
kaum und
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