Feenfuchs und Feuerkuss
durch
den elegant eingerichteten Eingangsbereich, von dem eine breite Treppe in die
oberen Etagen führte. Teure Antiquitäten und zarte, impressionistische Gemälde
schmückten die weißen Wände.
Als Luisa Jeskas Mutter über das
alte Eichenparkett folgte, trat Herr Rubin aus dem Wohnzimmer und grüßte Luisa
mit einem Winken. Er drückte ein Telefon an sein Ohr und schien eine Änderung
am Operationsplan der kommenden Tage zu veranlassen. Er war ein brillanter
Chirurg, aber äußerlich glich er eher einem verrückten Chemieprofessor.
Frau Rubin nahm Luisa erneut
unter ihren Lupenblick. „Richte Jeska doch bitte aus, dass mein Mann und ich zu
Onkel Freds Geburtstag fahren.“ Sie schlüpfte in einen anthrazitfarbenen
Mantel, der perfekt zu ihrem schwarzen Abendkleid passte, und bedeutete ihrem
Mann, dass er noch einmal seine Fliege richten musste.
Luisa nickte und grinste
innerlich, als sie an den letzten Geburtstag von Onkel Fred denken musste. Sie
wünschte den Rubins einen schönen Abend und stürmte die Treppe hinauf. Je näher
sie Jess' Zimmer kam, desto lauter wurde die Musik. Sie öffnete ohne zu klopfen
die Tür und fand sich in einem absoluten Chaos wieder.
Der gesamte Kleiderschrank ihrer
Freundin lag auf dem Boden und dem breiten Bett verstreut. Jeska tanzte
ausgelassen zu der Musik vor dem Spiegel und trampelte auf ihren Klamotten
herum.
Als Luisa plötzlich mitten im
Zimmer stand, schrie sie erschrocken auf: „Ahhh! Willst du, dass ich an einem
Herzinfarkt sterbe?“
Sie drehte die Musik leiser und
trat auf Luisa zu.
Diese betrachtete fassungslos die
zahllosen farbenfrohen Kleidungsstücke und fragte: „Bist du jetzt komplett verrückt
geworden, liebste Jess?“
Jeska packte sie an den
Schultern, schüttelte sie leicht und sagte mit irrer Stimme: „Sieht ganz so
aus!“ Sie deutete auf das Chaos. „Ich mache eine Bestandsaufnahme meiner
Klamotten. Der Sommer steht vor der Tür und ich habe nichts anzuziehen, was zu
meiner momentanen Stimmung passt.“
Luisa runzelte die Stirn. „Ich
würde eine weiße Zwangsjacke vorschlagen. Steht dir bestimmt gut. Passt auf
jeden Fall zu deinem Gemütszustand.“ Sie brachte sich kichernd vor ihrer auf
sie zustürmenden Freundin in Sicherheit, wobei sie fast auf einem knallroten
Seidenkleid ausrutschte.
Lachend sanken die beiden auf das
gelbe Sofa, das unter einem großen Fenster stand.
„Deine Eltern sind zu Onkel Fred
abgerauscht“, berichtete Luisa und versuchte wieder zu Atem zu kommen.
„Die sollten sich schämen, dass
sie uns nicht mitnehmen“, sagte Jeska mit gespielter Theatralik und band sich
ihre Haare zu einem gewollt zerzausten Dutt hoch.
Luisa nickte. „Wirklich. Ich kann
gar nicht verstehen, warum sie uns nicht dabei haben wollen.“
Jeska schüttelte sich vor Lachen.
„Alles nur, weil wir diese langweilige Party im Golfclub aufgemischt haben.“
Luisa legte ihre Hände an die
Wangen, als sie sich an diesen denkwürdigen Abend erinnerte. Onkel Fred hatte
letztes Jahr seinen sechzigsten Geburtstag in seinem Golfclub gefeiert und Jess
hatte Molly und Luisa gezwungen, sie zu begleiten.
Als nach endlosen Reden endlich
Musik gespielt wurde, hatte Jeska kurzerhand den sogenannten DJ überwältigt und
ihren erprobten Partymix aufgelegt. Nach anfänglichen Irritationen waren die
älteren Herrschaften völlig hemmungslos gewesen und hatten bis tief in die
Nacht getanzt. Es existierten auch noch Fotos von einer feuchtfröhlichen Polonaise
über den nächtlichen Golfplatz. Seitdem lud Onkel Fred seine Nichte nicht mehr
explizit mit ein.
Es musste wirklich eine Laune der
Natur sein, dass die recht sonderlichen und verkopften Eltern von Jeska zu
einem so bunten und extrovertierten Kind wie ihr gekommen waren. Doch ihre
Freundin hatte Glück, denn trotz der wenigen Ähnlichkeiten, zeigten die Rubins meistens
Verständnis für die verrückten Ideen ihrer Tochter und begleiteten sie an
vielen Wochenenden des Jahres zu Turnieren, für die Jeska ehrgeizig trainierte.
Luisa beobachtete, wie ihre
Freundin verschiedene Kleidungsstücke aufraffte und wieder in den riesigen Schrank
schmiss. Die Wände ihres Zimmers waren rot gestrichen und bildeten einen tollen
Kontrast zu dem weißen Stuck, mit dem im gesamten Haus nicht gespart worden
war. Überall hingen gerahmte Fotografien, die Jeska auf diversen Konzerten und
Rockfestivals zeigten. Wie so oft wunderte sich Luisa darüber, wie die
aufgekratzte und impulsive Jeska sich beim Reiten vollkommen
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