Feenfuchs und Feuerkuss
wieder ihr Pate wurde.
Sie setzte sich an ihren Laptop
und stellte die beste Playlist des Jahrhunderts zusammen.
Sam wollte ihr vielleicht nicht
mehr zuhören, aber der Musik konnte er sich nicht verschließen. Das wusste
Luisa, weil es ihr genauso ging.
Am Montagmorgen erschien Sam
nicht zur Schule und sie bekam nicht die Chance ihn mit ihrer CD gütig zu
stimmen. Zu Frau Kunze ging sie natürlich auch nicht, da sie ja keinen neuen,
sondern ihren bisherigen Paten haben wollte.
Jonathan schickte ihr per MMS ein
Bild von Ophelia auf dem Paddock. Wenigstens ihrem Pferd ging es wieder
einigermaßen gut.
Eva setzte ihr enttäuschtes
Gesicht auf, das Luisa mittlerweile nur zu gut kannte, als sie am Abend herausfand,
dass ihre Tochter nicht bei der Schulleiterin gewesen war.
„Ich möchte mit Sam lernen“,
sagte Luisa.
„Dieses ewige Hin und Her
zwischen euch wird deine Noten nicht besser machen, Luisa.“
„Er ist der Beste“, antwortete
sie und zog sich in ihr Zimmer zurück, wo sie Sam die gefühlt fünfzigste SMS
schrieb.
Der Dienstag begann
vielversprechend, denn Jonathan schrieb ihr früh am Morgen, dass er Ophelia
heute ein wenig auf dem Springplatz bewegen würde und sie sich keine Sorgen
machen musste.
Doch als Sam wieder nicht in der
Schule war, wurde Luisa unruhig.
Was,
wenn er zurück nach England gegangen ist? , dachte sie und versuchte ihre Verlustängste unter
Kontrolle zu bringen.
Die Ungewissheit wurde immer
unerträglicher und als die Schulglocke läutete, fuhr sie wie der Teufel zu Sams
Haus. Auf dem Klingelschild stand zu ihrer Beruhigung noch ‚Weston‘.
An der Tür empfing sie ein Mann,
der Sams Vater sein musste.
„Hallo“, sagte Luisa und reichte
ihm die Hand. „Ich bin Luisa.“
„Hi Luisa“, antwortete der Mann
und schüttelte ihre Hand. Sam kam offensichtlich mehr nach seiner Mutter. Denn
Herr Weston hatte ein fülliges Gesicht und sein Haar war blond, durchzogen von
grauen Strähnen. Doch eine Ähnlichkeit gab es, die Luisa sofort auffiel: Ihre Stimmen
klangen fast gleich.
„Ist Sam da?“
Herr Weston ließ sie herein. „Er
ist krank.“ Sein englischer Akzent war noch viel deutlicher ausgeprägt als
Sams.
„Oh“, machte Luisa. „Ich wollte
ihm das hier geben.“ Sie hielt die selbstgebrannte CD hoch.
„Ich schau mal, ob er wach ist.“
Herr Weston ging zu Sams Zimmer und steckte den Kopf hinein.
Luisa hörte, wie sich Vater und
Sohn auf Englisch unterhielten.
Dann kam Herr Weston zurück und
nahm die CD aus Luisas Händen. „Er ist nicht fit genug.“
Luisa wusste, dass dies so viel
bedeutete wie ‚Er will dich nicht sehen‘ und schlug die Augen nieder. „Ich
wollte mich außerdem bei ihm entschuldigen. Wenn Sie ihm das ausrichten würden?“
Sams Vater nickte.
„Ich brauche dringend seine
Hilfe. Sonst muss ich mir einen neuen Nachhilfelehrer suchen.“
Herr Weston merkte auf. „Ich
wusste nicht, dass er dir keine Nachhilfe mehr gibt.“
„Ich hab ihn verärgert. Zum
zweiten Mal“, gab sie zähneknirschend zu.
„Ich rede mit ihm. Wenn man etwas
anfängt, sollte man es auch bis zum Ende durchhalten.“
Es schien eine Eltern-Krankheit
zu sein, schlaue Sprüche von sich zu geben. Luisa hoffte nur, dass Sam jetzt
nicht noch böser wurde, da sie seinen Vater mit ins Spiel gebracht hatte.
Mit einem Abschiedsgruß und
letzten Blick auf Sams verschlossene Tür verließ sie die Wohnung wieder.
Zuhause angekommen, sortierte
Luisa ihre CD-Sammlung neu. Das war die am meisten beruhigende Sache, die sie
in ihrem Zimmer machen konnte.
Der Klingelton ihres Handys fuhr
ihr durch Mark und Bein. Als Sams Name auf dem Display las, fühlte sie sich
plötzlich wie erstarrt. Ihr Telefon schellte eine halbe Ewigkeit, bis wieder
Leben in sie kam.
Mit wild klopfendem Herzen nahm
sie das Gespräch an: „Hi Sam.“
Von der anderen Seite kam ihr
Stille entgegen. Dann ertönte Sams Stimme, deren Klang sie erhitzte, obwohl
seine Worte eiskalt waren: „Ich mache weiter, aber ich habe eine Bedingung.“
„Welche?“
„Du versprichst, dass du mich nie
wieder anlügst.“
„Ich hab nicht…“
„Versprich es mir einfach, Luisa.“
Sie atmete durch. „Ok“, sagte
sie. „Ich lüge dich nicht an.“
„Gut“, sagte er, aber er klang
nicht zufriedener.
„Dann sehen wir uns morgen wieder
nach der Schule?“, fragte sie vorsichtig.
„Ja. Bis morgen.“ Sam legte auf.
Und Luisa war übel. Sie sollte
sich freuen, aber es gelang ihr nicht, denn sie
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