Feenkind 2: Im Reich der Feen (German Edition)
Bestform - erschöpft, hungrig und halb erfroren. Und doch, es war ihr schon einmal an einem Feenort gelungen. Ja, und was hat es mir eingebracht? dachte die Dunkelfee bitter. Aber nun hatte sie nichts zu befürchten. Wenigstens ein Vorteil, wenn man nichts mehr zu verlieren hatte. Sei's also drum. Eliza schloss ihre Augen und entspannte sich. Sie ließ ihre Atmung ganz gleichmäßig fließen und konzentrierte sich auf Dhalia. Und dann geschah es, ganz einfach, ganz natürlich, als müsste man nur wissen, wie es ging, um Geistreisen nach Belieben machen zu können. Wieso hatte ihr das nicht schon viel früher jemand beigebracht? Wieso hatte sie es mühsam auf sich selbst gestellt herausfinden müssen?
Neugierig trat - oder schwebte? - Eliza an Dhalia heran. Das Mädchen saß mit dem Kopf an die Wand gelehnt und schlief tief und fest. Auf ihren Wangen konnte die Dunkelfee Spuren von Tränen erkennen. So friedlich, wie sie nun wirkte, hatte sie sich offensichtlich nicht gefühlt. Neben ihr lag eine leere Flasche. Eliza konnte sich gut vorstellen, was sie enthalten haben mochte. Doch es war nicht die Flasche oder Dhalias schlafende Gestalt, die ihr plötzliches Interesse weckten. Aufgeschlagen über den Knien des Mädchens lag ein Buch, dessen Seiten mit Feenrunen bedeckt waren. Eliza beugte sich aufgeregt darüber, aber leider war das Studium der Runen - so wie alles, das mit den Alten Feen zusammenhing - verboten. Die wenigen Zeichen, die Eliza kannte, hatte sie von Lenuta gelernt. Aber ihre Kenntnisse reichten nicht aus, um den Sinn des vor ihr Liegenden auszumachen. Wie war Dhalia nur an das Buch gekommen und konnte sie es etwa lesen?!
Eliza hätte vor Frust laut aufheulen können, dass wertvolles Wissen so knapp außerhalb ihrer Reichweite lag. Denn daran, dass das Buch wertvoll war, hatte sie keine Zweifel. Warum sonst hätte das Mädchen es mit hierher gebracht, an dieses eisige Ende der Welt? Plötzlich nahm sie aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahr. Verwirrt drehte sie den Kopf und sah eine Lupe auf dem Buch liegen, festgehalten durch Dhalias Hand, in der eine Reihe bewegter Bilder ablief.
Neugierig blickte Eliza hinein. Sie musste es sich mehrmals ansehen, bevor sie die Bedeutung dessen, was die Lupe ihr zeigte, richtig erfasste. Erschüttert wich sie zurück. Langsam, ganz langsam fügten sich verschiedene kleine Puzzleteilchen, Fragen, die sie schon seit einer Weile heimlich mit sich herumgetragen hatte, zu einem Ganzen zusammen. Einem lückenhaften Ganzen zwar, doch wegen seiner Unvollständigkeit nicht minder erschreckend. Wenn sie denn Recht hatte. Und wenn das Buch nicht log.
Sie musste in Ruhe über alles nachdenken.
Kaum hatte sich dieser Gedanke in ihrem Geist geformt, da verschwand Dhalia mit ihrem namenlosen Kummer im Gesicht und dem geheimnisvollen Buch auf den Knien aus ihrem Sichtfeld. Einen Herzschlag später war Eliza wieder in ihrem eigenen Körper zurück und atmete die frostige Luft der Nacht. Sie rückte näher ans Feuer und begann, ihre Gedanken zu sortieren.
Das Offensichtliche zuerst: Das Buch hatte den See gezeigt und einen Vulkan. Eliza hatte sofort den See erkannt, an dem Dhalia und Chris gewesen waren. Den See, in dem Chris das Mädchen ertrunken glaubte.
See des Abschieds
hatte Lenuta ihn genannt. Hatte sie damit etwa die Szene gemeint, die Eliza eben in dem kleinen Glas beobachtet hatte? Doch Spekulationen mussten warten. Dhalia war am - nein, im - See gewesen. Und jetzt wollte sie zum Vulkan. Wie es aussah, folgte sie den Spuren der drei Alten Feen - der Frau in den See, einem der Männer zum Vulkan. Doch der Dritte, wo war der Dritte? Vielleicht hatte sie ihn schon vorher aufgesucht. Vielleicht wäre das die nächste Etappe ihrer Reise. Aber was wollte das Mädchen?
Anscheinend hatte es mal drei Feen gegeben, jede mit einer eigenen Kraft - der Kraft des Feuers, der Kraft der Luft und der Kraft des Wassers. Hatten sie ihre Kräfte an ihre Nachkommen weitergegeben? War das der Grund, warum bis auf den heutigen Tag die Kräfte der Dunkelfeen so unterschiedlich ausgeprägt waren? Die meisten von ihnen beherrschten das Feuer, die überaus nützlichen Energiekugeln, die sie auf ihre Feinde schleudern konnten. Wenige konnten Kraftfelder erzeugen und Eliza hatte von einem Feenmann gehört, der sich durch seine Gedanken von einem Ort zum anderen hatte bringen können, doch das war lange vor ihrer Zeit gewesen. Niemand von ihnen beherrschte jedoch das Wasser. Bedeutete das, dass die
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