Feenkind 2: Im Reich der Feen (German Edition)
Als ihre Hand gegen die leidige Diele stieß, bewegte sich diese plötzlich zur Seite. Neugierig spähte Dhalia in die darunter liegende Öffnung und zog eine verstaubte, zu einem Viertel gefüllte Flasche heraus. Als sie sie öffnete, drang unverkennbar der Geruch von Alkohol in ihre Nase. Sie verkorkte die Flasche wieder und stellte sie beiseite. Vielleicht würde sie nachher einen kleinen Schluck daraus nehmen. Gewiss war die goldene Flüssigkeit besser als Tee dazu geeignet, Kälte und Einsamkeit zu vertreiben.
Eliza zwang sich aufzustehen. Sie durfte dem Schwächegefühl, das sie zu überwältigen drohte, nicht nachgeben, sonst war sie verloren. Außerdem musste sie erfahren, ob die Zauber, die sie für Dhalia gewoben hatte, erfolgreich gewesen waren.
Die Dunkelfee schnaubte halb verbittert, halb belustigt über diese Ironie. Dhalia war immer ihre Gegnerin gewesen. Eine Gejagte, die Frau, die sie um alles gebracht hatte, was ihr jemals wichtig gewesen war. Eigentlich hätte Eliza sie aus tiefstem Herzen hassen müssen. Stattdessen war sie nun gezwungen, den Schutzgeist des Mädchens zu spielen. Auf eine wahrlich unvorhersehbare Weise schienen ihre beiden Schicksale miteinander verknüpft zu sein.
Eliza wickelte sich eng in ihren Mantel und wartete, während sie sich den Resten der alten Magie öffnete, und versuchte damit, ihre eigenen, völlig erschöpften Kräfte wieder aufzufüllen.
Schließlich, als der Mond schon hoch am Himmel stand, sah sie eine Bewegung in der Schneemasse, die Dhalia unter sich begraben hatte. Mit einem Gefühl innerer Genugtuung sah Eliza das Mädchen auftauchen, sich aufrappeln und langsam weitergehen. Der Kampfgeist der Kleinen schien wirklich unglaublich. Obwohl die Dunkelfee selbst vor Erschöpfung kaum noch stehen konnte, hielt sie es für angebracht, Dhalia zu folgen. Ohne ihre Hilfe würde das Mädchen trotz seines Mutes den Weg über das Gebirge wohl kaum schaffen.
Dhalia hielt das Feenbuch aufgeschlagen auf den Knien und nahm einen kleinen Schluck aus der Flasche. Der Alkohol brannte in ihrer Kehle und verteilte sich in angenehmen, warmen Strömen in ihrem gesamten Körper. Das nervöse Zittern ihrer Glieder ließ ein wenig nach.
Trotz der Strapazen des Tages konnte sie keinen Schlaf finden. Zu knapp war sie nur kurz zuvor dem Tod entronnen, zu tief saß noch der Schreck in ihr. Sie nahm einen weiteren Schluck und strich versunken, beinahe zärtlich, über die aufgeschlagene Buchseite auf ihrem Knie. Unwillkürlich drängten sich ihr Erinnerungen auf, wie sie das Buch zusammen mit Chris studiert hatte, an das Staunen in seinem Gesicht, als er Del auf den Bildern erkannt hatte. Chris. Die Sehnsucht nach ihm überrollte sie so heftig und unvorbereitet wie eine Sturmflut. Es war ein Fehler gewesen, Alandia ohne ihn zu verlassen. Sie hätte ihn suchen, ihn finden müssen, anstatt so übereilt zu verschwinden. Wie schön wäre es gewesen, jetzt hier mit ihm zusammen zu sein, diese Flasche mit ihm zu teilen, anstatt sie einsam zu leeren. Er hätte bestimmt etwas gewusst, um sie aufzuheitern, hätte mit einem frechen Spruch oder allein durch seine Gegenwart die Todesangst vertrieben, die sie noch immer umklammert hielt und ihr die Ruhe raubte. Hicksend nahm Dhalia einen weiteren Schluck. Vielleicht war es aber auch besser so, leichter. Wozu ihn wiederfinden? Damit die Trennung, die unweigerlich kommen musste, noch schmerzhafter würde, als sie es ohnehin schon war? Waren einige glückliche Wochen das wert? Und obwohl sie diese Frage entschieden verneinte, vermisste sie ihn so sehr, dass es ihr die Kehle zuschnürte.
Eliza hätte zu gern gewusst, was Dhalia in der Hütte trieb. Trotz der vorgerückten Stunde war das kleine Fenster, das höhnisch in ihre Richtung starrte, hell erleuchtet. Obwohl Dhalia ihr ihr Leben verdankte, musste die Dunkelfee sich mit einem kläglichen kalten Lager begnügen, während das Mädchen geschützt im Warmen saß. Sie spürte das brennende Verlangen in sich aufsteigen, Dhalia noch einmal aus der Nähe zu sehen - ob es in purer Langeweile oder Einsamkeit oder der Ahnung begründet war, dass sie dort etwas Sehenswertes vorfinden würde, vermochte Eliza nicht zu sagen. Sie wagte es jedoch nicht, sich dem Fenster zu nähern, aus Angst, die junge Frau würde ihre Anwesenheit entdecken. Eine kühne Idee streifte sie plötzlich. Nein, sie schüttelte entschieden den Kopf. Geistreisen zählten nicht zu ihren Stärken und sie war jetzt alles andere als in
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