Feenkind 2: Im Reich der Feen (German Edition)
würde. Sie musste sich zumindest für die Nacht eine besser geschützte Stelle suchen. Sie hatte keine Lust darauf, einfach mitten auf dem Pfad zu kampieren. Doch das musste leider noch warten, denn sie hatte schon mehrmals das hungrige Miauen eines Schneeleoparden gehört. Mit einem solchen Nachbarn war an Schlaf nicht zu denken, unabhängig davon, wie müde sie sein mochte. Dhalia schulterte wieder ihren Rucksack, auch wenn ihr Rücken dabei schmerzhaft protestierte, und ging langsam weiter. Sie hatte noch ungefähr eine Stunde Tageslicht vor sich. Die sollte sie nutzen.
Am nächsten Morgen setzte der Schneefall ein. Dichte Flocken fielen auf Dhalia herab und erschwerten ihr Fortkommen, da sie bald bei jedem Schritt tief im Neuschnee versank. Die Schneeflocken schmolzen auf ihrem Gesicht und brannten schmerzhaft auf ihren Wangen, als sie im eisigen Wind wieder gefroren. Sie kämpfte ihre Hände frei von den mit kleinen Eiszapfen übersäten Fäustlingen aus dichter Schafswolle, die Raphael ihr zum Abschied geschenkt hatte, und zog sich ihren Schal wieder hoch ins Gesicht, so dass nur noch ihre Augen unter ihrer pelzbesetzten Kapuze hervorschauten. Trotz ihrer warmen Kleidung fror sie erbärmlich. Sie konnte sich gar nicht mehr daran erinnern, wann sie sich das letzte Mal richtig wohl gefühlt hatte, als wäre sie schon ewig in dieser Einöde aus Schnee und Stein unterwegs.
Ein tiefes Grollen über ihr ließ sie plötzlich zusammenfahren. Dhalia blickte hoch und sah gerade noch eine gewaltige Schneemasse von oben auf sich herabstürzen. Ohne auch nur einen klaren Gedanken fassen zu können, warf die junge Frau sich instinktiv in die Hocke, mit dem Rücken an die Felswand gepresst, die Hände schützend über ihrem Kopf. Im nächsten Augenblick brach um sie herum die Hölle los.
* * *
Eliza langweilte sich zu Tode. Warten war noch nie ihre Stärke gewesen. Und jetzt musste sie untätig abwarten, dass die Zeit verging. Eigentlich hatte sie Dhalia einen Vorsprung von drei Tagen geben wollen, bevor sie ihr folgte. Aber sie hielt die Untätigkeit einfach nicht mehr aus. Eliza stand auf und packte ihre Sachen zusammen. Dann zog sie bedauernd ihren warmen Mantel aus - beim Fliegen würde sie ihn nicht tragen können. Ach, was hätte sie nicht für ein wenig Feenstaub gegeben. Bevor die eisige Kälte ihre Muskeln lähmen konnte, breitete sie ihre Flügel aus und stieß sich vom Boden ab.
Binnen kürzester Zeit hatte sie das Gefühl, selbst eine der Schneeflocken zu sein, die auf ihrem Weg zur Erde fröhlich um sie herumtanzten. Ihre Flügel schlugen kraftlos und verzweifelt gegen den Wind und den Schnee an. Schon bald musste sie eine Pause einlegen. Ihr ganzer Körper fühlte sich wund und ungewohnt zerbrechlich an. Sie war für diese Kälte einfach nicht geschaffen. Doch Eliza konnte jetzt nicht aufgeben. Ausruhen konnte sie sich, wenn sie das Geheimnis des Mädchens endlich gelüftet hatte. Und das würde schon sehr bald sein, dachte die Dunkelfee, als sie nach einer kurzen Verschnaufpause wieder in die Höhe stieg.
Nach einigen ihrer kurzen Flugabschnitte war Eliza schließlich so erschöpft, dass sie sich kaum noch in der Luft halten konnte. Auch die Magie des Feenpasses reichte nicht aus, um ihre Kräfte aufzufüllen. Obwohl es noch hell war, begann die Dunkelfee, nach einem geeigneten Rastplatz für die Nacht Ausschau zu halten. Morgen war immerhin auch noch ein Tag.
Plötzlich hörte sie ein tiefes, bedrohliches Grollen. Sie schaute hoch und sah, wie eine gewaltige Schneemasse von weit oben auf den Rand der Schlucht hinabbrauste. An einem der Berge, die sich rund um den Feenpass erhoben, hatte sich anscheinend eine Lawine gelöst, die nun unaufhaltsam auf die Schlucht zuraste. Eliza wich zurück und beschloss, aus sicherer Entfernung dem grandiosen Naturschauspiel zuzuschauen, das sich in wenigen Augenblicken vor ihren Augen entfalten würde. Doch dann gefror ihr das Blut in den Adern. Irgendwo, tief unten vor ihr, hatte sie ein Aufflackern von tödlicher Angst gespürt. Dhalia! Sie war selbst so erschöpft gewesen, dass sie vergessen hatte, nach dem Mädchen Ausschau zu halten. Nun spürte Eliza die Angst des Mädchens so deutlich, dass sie auch von ihr Besitz ergriff. Verzweifelt suchte die Dunkelfee den weißen Hang nach einem dunklen Flecken ab. Da war sie, erstarrt in Todesangst, und wartete das Herabstürzen der Lawine ab. Ohne darüber nachzudenken, warf Eliza sich selbst nach vorn. Mit dem Mädchen
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