Feenkind
"Weiß sie denn, wohin Ihr wolltet?"
"Sie wird erfahren, dass Dhalia verletzt wurde. Und sehr viele Möglichkeiten, einen Heiler zu finden, wird es in dieser Gegend schon nicht geben."
"Da könnte was dran sein."
"Auf jeden Fall ist es besser, vorbereitet zu sein. Falls sie doch nicht erscheint, hätte es nicht geschadet. Ihr aber unvorbereitet gegenüber zu treten, wäre fatal, für uns alle."
Sorin nickte nachdenklich.
Dhalia hörte dem Gespräch der beiden Männer schweigend zu. Sie wusste nicht, welchen Grund Christopher hatte, diesem Mann zu vertrauen, oder wer der Mann überhaupt war, doch Christopher hatte ihr Leben gerettet, also würde sie sich dieses Mal auf sein Urteil verlassen. Sie hoffte bloß, dass er wusste, was er tat.
"Wir werden Euch hier vor der Dunkelfee verstecken. Hier bei uns seid Ihr am sichersten", entschied der Prior schließlich.
"Was?!" riefen Dhalia und Chris wie aus einem Mund.
"Wir können Euch verstecken", beharrte Sorin.
"Danke, aber wir können uns auch selbst verstecken, im Wald zum Beispiel", hielt Dhalia es nicht aus. Sie warf Christopher einen nervösen Blick zu. Unter dem Tisch drückte er beruhigend ihre Hand. Ist schon gut, wir können ihm vertrauen, schien sein Blick ihr zu sagen.
"Was schlagt Ihr also vor?" wandte er sich an Sorin.
Statt einer Antwort erhob sich der Prior. "Ich bitte alle, die die zweite Prüfung noch nicht abgelegt haben, im Wald nach Heilkräutern zu suchen", sagte er laut.
Die meisten der Anwesenden erhoben sich und verließen gehorsam den Raum.
Dhalia und Christopher wechselten einen verständnislosen Blick.
"Ist das eine Geheimsprache?" fragte Chris, während Dhalia sich über die Bedeutung der
zweiten Prüfung
wunderte.
"Aber nein", erwiderte der Prior leicht schmunzelnd. "Sie gehen tatsächlich in den Wald, um nach Heilkräutern zu suchen. Unsere Vorräte müssten mal wieder aufgestockt werden."
"Und was ist die zweite Prüfung?" fragte Dhalia neugierig und schob ihren leeren Teller beiseite.
"Von klein auf üben wir uns in der Kunst, unsere Gedanken und Gefühle vor den Dunkelfeen zu verbergen. Jemand, der die zweite Prüfung bestanden hat, kann mit einer Dunkelfee reden, ohne sich durch seine Gedanken zu verraten."
"Ihr meint, Ihr könntet einer Dunkelfee ins Gesicht lügen?" fragte Chris sichtlich fasziniert.
"Es erfordert große Konzentration, aber es ist möglich, ja."
"Und was ist der Trick?"
"Es gibt keinen Trick", erwiderte Sorin vergnügt. "Es ist bloß Disziplin und jahrelange Übung, die uns die Kontrolle über unsere Gedanken verschafft."
"Oh", sagte Chris enttäuscht. Diese Fähigkeit wäre für ihn äußerst nützlich gewesen.
"Und was jetzt?" fragte Dhalia.
Doch der Prior gab keine Antwort. Der Pförtner kam aufgeregt in den Raum gestürzt. "Sorin, da ist eine Dunkelfee, die Einlass verlangt!" rief er außer Atem.
Dhalia und Chris wechselten einen panischen Blick.
"So schnell schon", sagte der Prior leicht verwundert und erhob sich. "Versteck sie", rief er einer großen schlanken Frau zu, "während ich versuche, uns etwas Zeit zu verschaffen." Mit diesen Worten eilte er hinaus.
"Schnell, folgt mir", rief die Frau und fasste Dhalia am Arm, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen. Sie führte sie in eine Kammer, in der sie einen Wandteppich hastig beiseite schob und nach einem geheimen Muster auf einige Steine in der Wand drückte. Dies setzte einen Mechanismus in Gang, der eine vorher nicht zu erkennende Nische öffnete, gerade groß genug, dass zwei Leute darin Platz fanden. Bevor sie Dhalia und Chris da rein zwängte, holte sie eine lange Kette mit einem kleinen Anhänger unter ihrem Gewand hervor.
"Was ist das?" fragte Dhalia, als die Frau ihr die Kette über den Kopf streifen wollte.
"Das wird Euch schützen. Es macht Euch unsichtbar für die Sinne der Feen. Wir haben bloß einen und Ihr seid zu zweit, ich hoffe nur, dass es reichen wird. Ihr müsst die Kette um Euch beide legen", ermahnte sie sie.
"Woher habt Ihr das?" fragte Dhalia, während sie ihre Hand nach der Kette ausstreckte.
"Von Enigma, natürlich", antwortete die Frau, überrascht darüber, dass es nicht offensichtlich war. "Er hatte es uns da gelassen, um unsere Patienten und uns selbst zu schützen."
Sie wartete, bis Dhalia und Chris sich die Kette umgelegt hatten - sie mussten dafür ganz eng zusammenrücken, doch in der Nische war ohnehin nicht mehr Platz - dann wollte sie die Geheimtür wieder schließen, als ihr noch etwas einfiel. Sie hastete hinaus und kam mit
Weitere Kostenlose Bücher