Feenkind
Eliza ist gescheitert. Sie hat die Spur des Mädchens verloren."
"Und nun?" Rowena blieb von der Erzählung sichtlich unbeeindruckt.
Denna musste sich beherrschen, um ihre Geduld gegenüber dem dummen Kind nicht zu verlieren. "Ich habe Eliza befohlen, zurückzukehren, doch sie hat sich geweigert."
"Eure Dunkelfeen sind Euer Problem, das wisst Ihr doch. Weder mein Vater noch ich wollen uns da einmischen, solange sie das tun, was wir wollen. Ihr könnt sie bestrafen oder laufen lassen, was immer für die Disziplin der anderen am besten ist. Auf eine mehr oder weniger kommt es uns nicht an." Sie lachte leise auf. "Solange sie nicht anfangen, uns scharenweise davonzulaufen."
"Das werden sie schon nicht", presste Denna hervor.
"Gut. Was das Mädchen betrifft, so haben mein Vater und ich im Augenblick wichtigere Sorgen. Einige Randgebiete im Nordwesten halten stur an der Idee fest, dass sie ein Recht auf Selbstbestimmung hätten. Das müssen wir ihnen nun austreiben." Ihr Gesicht verzerrte sich kurz. "Mein Reich wird nicht auseinander fallen!"
Der Machthunger in ihrer Stimme jagte Denna eine Gänsehaut über den Rücken. Eines Tages würde die Prinzessin zu einer furchtbaren Herrscherin werden. Sie würde ihren Vater und Großvater bei weitem übertreffen. "Aber das unbekannte Mädchen könnte eine Gefahr bedeuten", wagte Denna dennoch einen Versuch.
Doch die Prinzessin winkte ab. "Eure Sorge ist rührend, doch völlig unbegründet. Niemand, der sich uns in den Weg stellt, würde lange genug leben, um von dem törichten Versuch zu berichten."
"Wie Ihr meint", antwortete Denna steif. Während sie den Raum verließ, dachte sie darüber nach, dass sie sich in ihrem gesamten Leben noch nie so herabgesetzt gefühlt hatte.
* * *
Nachdem Sorin das Tor hinter der Dunkelfee und ihren Begleitern wieder geschlossen hatte, blieb er erleichtert stehen. Er rang kurz mit sich selbst, doch seine Sorge trug den Sieg vor seinem Stolz davon und so beugte er die Knie und spähte neugierig durch ein kleines Astloch, durch das sonst die Kinder hindurchzuschauen pflegten. Er sah, wie sich die Dunkelfee in den Wald entfernte, während ihre Wächter sich schulterzuckend auf den Boden nieder ließen und sich die Zeit bis zu ihrer Rückkehr mit einem Kartenspiel vertrieben. Solange sie noch in der Nähe blieben, wagte auch Sorin nicht, seinen Beobachtungsposten zu verlassen. Er wartete, bis sie wieder aus dem Wald kam und ihre Wächter schließlich wegschickte. Verständnislos sah Sorin zu, wie die Dunkelfee anschließend allein in eine völlig andere Richtung aufbrach. Er verfolgte ihren Flug mit den Augen, bis sie seinem Sichtfeld entschwand. Erst dann wagte er es, sich aufzurichten, und eilte, ohne sich den Schmutz von der Soutane zu klopfen, auf das Hauptgebäude zu, um seine beiden Gäste aus ihrem Versteck zu befreien.
Als er die Geheimtür öffnete, stolperten Dhalia und Chris dankbar in das Licht. Dhalia blieb dabei mit ihrem Fuß an ihrem Rucksack hängen. Chris fing geschickt ihren Ellbogen auf, um sie zu stützen, aber sie riss sich energisch von ihm los und richtete sich sehr gerade auf. Sorin entging nicht der verwunderte Blick, den Chris ihr daraufhin zuwarf, doch sie schien ihn nicht zu beachten.
Es kostete den jungen Mann sichtbar einige Mühe, über diese Kränkung hinwegzusehen. Es gab jedoch Fragen, die dringend geklärt werden mussten. Chris riss sich zusammen. "Eliza war hier, nicht wahr? Hier, in diesem Raum", wandte er sich an Sorin, während er die goldene Kette, die Dhalia und er nun abgenommen hatten, ehrfürchtig in der Hand hielt.
Sorin nickte und streckte seine Hand nach dem Artefakt aus.
Doch Chris zögerte. "Ich hätte nie gedacht, dass es möglich wäre, sich vor einer Dunkelfee nur wenige Schritte entfernt zu verstecken. Das hier", er drückte das Artefakt fest in seiner Hand, "ist wahrlich unbezahlbar."
"Da habt Ihr Recht", stimmte Sorin ihm zu und streckte ihm nachdrücklich seine Handfläche entgegen.
Chris schien es nicht zu bemerken, bis Dhalia es ihm entschieden aus der Hand riss. "Wir sind keine Diebe, Christopher! Oder habt Ihr das etwa vergessen?" Sie gab die Kette an Sorin zurück, der sie sofort an seiner Brust versteckte.
Chris warf Dhalia einen verletzten Blick zu. Er hatte sich die Veränderung in ihrem Benehmen also nicht eingebildet. In dem einen Augenblick waren sie sich näher als je zuvor und im nächsten stieß sie ihn fort, als wäre er kaum besser als ein Feind.
"Wir danken Euch für Eure
Weitere Kostenlose Bücher