Feenkind
erwachsener, entschlossener. Chris fand es sehr schade, dass es seinen mädchenhaften Ausdruck verloren hatte, doch es war wohl besser so.
Er erhob sich leicht und zog für Dhalia einen Stuhl heran.
Erwartungsvoll, wenn auch etwas unsicher, sah sie ihn an.
"Selbst Eure Mutter würde Euch so nicht erkennen", meinte er, da er offensichtlich etwas sagen musste.
Sie senkte betroffen den Blick.
Das war es anscheinend nicht gewesen, was sie hatte hören wollen. Chris räusperte sich verlegen. "Während Ihr Euch umgezogen habt, habe ich an unserer Tarnungsgeschichte gefeilt", sagte er schnell.
"Und die wäre?"
"Wir sind zwei Mönche, auf dem Weg zur Ruine von Umballa."
"Ihr wollt mich also als Mann ausgeben?" fragte Dhalia milde interessiert, während sie nach einem Stück Brot griff.
Chris' Blick blieb an ihrer feingliedrigen Hand hängen. "Äh, ja", stimmte er zu. "Allerdings dürft Ihr dafür Eure Kapuze nicht abnehmen und müsst Eure Hände bei Euch behalten."
"Sonst noch etwas?"
"Ja, Ihr dürft nicht sprechen", fiel ihm beim Klang ihrer Stimme noch ein.
"Und Ihr meint nicht, dass das den Menschen merkwürdig vorkommen wird?"
"Wieso sollte es? Immerhin habt Ihr ein Gelübde abgelegt, erst wieder zu sprechen, wenn Eure Lippen den heiligen Stein in Umballa dreimal berührt haben."
"Und vorher darf ich nicht sprechen?"
"Nein." Zur Bestätigung schüttelte Chris seinen Kopf.
"Und warum habe ich das Gelübde abgelegt?" fragte Dhalia neugierig.
"Um Euch von der üblen Angewohnheit zu befreien, alles immer zu hinterfragen!" lachte er.
Dhalia verzog das Gesicht, doch ihre Augen funkelten belustigt. "Und was ist Euer Gelübde, Chris?"
"Wenn es sein muss, fällt uns bestimmt noch etwas ein." Er zwinkerte ihr verschwörerisch zu.
"Nun, da alles geklärt ist, fürchte ich, dass wir weiter müssen, Sorin", wandte Dhalia sich bedauernd an den Prior. "Ich danke Euch für alles, von ganzem Herzen. Ich werde Euch Eure Güte niemals vergessen."
Würdevoll neigte Sorin den Kopf. "Wir haben es gern für Euch getan, Dhalia. Mögen die Guten Geister Euch immer leiten. Und Euch natürlich auch, Christopher." Er erhob sich, um sie zu den Ställen zu begleiten.
Nachdem seine Besucher das Klostergelände verlassen hatten, schaute Sorin ihnen nachdenklich durch die offene Pforte hinterher. Erst als er eine leichte Berührung an der Schulter spürte, schreckte er aus seinen Gedanken hoch. Seine Frau war hinter ihn getreten und schmiegte ihre Wange an seine Schultern.
"War sie es tatsächlich gewesen?" fragte sie flüsternd.
"Ja", Sorin nickte. "Ich habe keinen Zweifel daran."
"Und hat sie dir deine Fragen endlich beantworten können?"
Sorin lächelte leicht, dann schüttelte er den Kopf. "Nein. Vielleicht hat sie sogar noch mehr Fragen aufgeworfen." Er wandte sich um und sah seiner Frau tief in die Augen. "Doch das ist nicht wichtig. Eines Tages werden wir es verstehen. Das hat Enigma uns versprochen."
Schweigend ritten Dhalia und Chris nebeneinander her. Anscheinend hatte er viel, worüber er grübeln musste. Schließlich hielt sie die Stille nicht mehr aus. "Üben wir schon für mein Schweigegelübde?" erkundigte sie sich spöttisch.
Statt einer Antwort lachte Chris leise auf.
"Wie weit ist es bis Umballa?"
"Ich bin mir nicht sicher." Chris zuckte mit den Schultern. "Wir könnten es wahrscheinlich in zehn Tagen erreichen, wenn wir nicht vorher einen anderen Weg nehmen müssten."
"Wir reiten also gar nicht nach Umballa?"
"Nein. Es liegt jedoch vorerst in unserer Richtung, daher habe ich den Ort gewählt."
"Oh." Dhalia nickte nachdenklich.
"Aber denkt an Euer Gelübde. Ihr dürft nicht sprechen, solange wir nicht in Umballa gewesen sind", konnte Chris sich einfach nicht zurückhalten.
Sie schlug mit ihren Zügeln nach ihm, doch er wich lachend aus.
Schmollend wandte Dhalia sich ab, doch sie konnte ihre Heiterkeit nicht verbergen. "Und was ist dann unser Ziel?" fragte sie schließlich.
"Wir besuchen eine alte Freundin von mir."
"Können wir ihr trauen?"
"Ich bin mir nicht sicher. Doch sie hat mir schon einmal in einer sehr engen Lage geholfen. Außerdem fällt mir niemand ein, der das Reich besser kennen würde als sie. In ihrer Jugend war sie viel herumgekommen."
"Oh, dann ist sie also tatsächlich alt."
Chris lachte. "Ja, das ist sie. Und nicht nur nach Euren Maßstäben!"
"Wo lebt sie?" verlangte Dhalia weiter zu wissen.
"Wie soll ich Euch das denn erklären?" winkte Chris ab. "Ihr kennt Euch doch gar nicht aus in dieser Welt."
Plötzlich
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