Feenkind
du musst mir glauben." Sie sah, dass diese Antwort der älteren Frau nicht genügte, doch sie konnte ihr unmöglich die Wahrheit erzählen. Obwohl sie selbst von der Richtigkeit ihrer Geschichte überzeugt war, war ihr bewusst, wie unglaubwürdig sie klang. Außerdem hatten ihre Eltern all die Jahre über dafür gesorgt, dass kein Wort über die Prophezeiung nach außen gedrungen war. Es musste auf jeden Fall ein Geheimnis bleiben.
Als sie merkte, dass das Mädchen zu keinen weiteren Auskünften bereit war, akzeptierte Kalla innerlich seufzend Dhalias Weigerung, sie ins Vertrauen zu ziehen, und wandte ihre volle Aufmerksamkeit dem Register zu. "Wieso schaust du dich hier nicht ein wenig um, ich sage dir Bescheid, wenn ich etwas Interessantes finde."
Langsam ging Dhalia durch die endlosen Reihen von Regalen, bis sie unter einem großen Schild mit dem Buchstaben "F" stehen blieb. "Na, dann wollen wir mal sehen", murmelte sie vor sich hin. Bücher über Bücher reihten sich vor ihren Augen. Bücher über alles Mögliche, doch kein Titel gab einen Hinweis darauf, dass es etwas über Feen enthielt. Schließlich griff Dhalia zu der letzten ihr bekannten Möglichkeit - in einem angrenzenden Raum stand das größte Nachschlagewerk des Landes ausgestellt. Wenn es etwas über Feen zu wissen gab, dann stand es mit Sicherheit dort drin. Sie suchte den passenden Band heraus und hievte ihn auf einen freien Lesetisch in der Nähe. Aufgeregt blätterte sie durch die Seiten. Nichts, kein Eintrag, nicht einmal ein Wort über Feen.
Frustriert blätterte Dhalia zurück und wieder vor. Sie hatte sich nicht geirrt, da stand tatsächlich gar nichts.
Plötzlich fiel ihr etwas auf. Da fehlten Seiten! Jemand hatte sie einfach herausgerissen. Wenn sie den Seitenzahlen glauben konnte, so hatte da früher eine ganze Menge zu den Buchstaben FEE gestanden.
Mit einem Mal wurde ihr die gesamte Tragweite ihrer Entdeckung bewusst. Ihrem Volk wurden bewusst Informationen vorenthalten! Auch wenn sie die gesamte Bibliothek studiert hätte, könnte sie nicht sicher sein, über die wichtigen Themen Bescheid zu wissen. Und wenn man Informationen vernichtet hatte, war es auch möglich, dass Einträge verfälscht worden waren! Sie hatte beinahe Jahre in dieser Bibliothek zugebracht und nun konnte sie sich auf das hier angeeignete Wissen nicht einmal verlassen! Ob ihre Eltern das wohl wussten?
Dhalia war aufs tiefste empört. Sie fühlte sich nun noch unzureichender auf die vor ihr liegende Aufgabe vorbereitet. Ihr wurde erschreckend klar, dass sie fast gar nichts darüber wusste, was außerhalb ihres Landes vor sich ging. Sie hatte keine Ahnung, was sie dort erwarten mochte.
Es dauerte fast eine Ewigkeit, bis Kallas Erscheinen sie endlich aus ihren Grübeleien riss.
"Was ist los? Hast du etwas gefunden?" neugierig blickte Dhalia hoch.
"Nein, meine Liebe, habe ich nicht." Kalla blickte sich vorsichtig um. "Aber ich würde dir gern etwas zeigen."
"Was ist los, wohin gehen wir?" fragte Dhalia überrascht, als die Bibliothekarin sie die Korridore entlang immer weiter zerrte. Doch diese legte zur Antwort nur den Finger auf die Lippen und ging eilig weiter. Schließlich waren sie in einem abgelegenen Teil der Bibliothek angelangt, den Dhalia noch nie zuvor gesehen hatte und der auch jetzt völlig verlassen schien. In der Ecke eines kleinen Lesesaals blieb Kalla stehen und blickte sich nochmals vorsichtig um. Dann drückte sie nacheinander auf bestimmte Steine in der Wand und plötzlich öffnete sich ein kleiner Durchgang.
Dhalia hielt begeistert den Atem an. "Ein Geheimgang!" flüsterte sie aufgeregt. Neugierig kam sie näher und spähte durch die dunkle Öffnung. Sie konnte eine Treppe erkennen, die in die Tiefe führte. Dahinter war alles in tiefste Dunkelheit getaucht.
Aus einem Schrank holte Kalla eine Laterne, zündete sie an und reichte sie der jungen Frau. Unschlüssig trat Dhalia auf die Treppe.
"Nun mach schon", drängte Kalla sie flüsternd. "Man darf uns hier nicht entdecken." Sie folgte dem Mädchen dicht auf den Fersen. Sobald sie die Treppe selbst betreten hatte, setzte sie wieder einen Mechanismus in Gang. Erschrocken drehte Dhalia sich um, als sie den Zugang hinter sich zugehen sah.
"Keine Angst", beruhigte Kalla sie, "die Tür lässt sich wieder problemlos öffnen. Und nun geh schon. Wir können unten über alles reden." Die junge Frau nickte und begann gehorsam, die steile Treppe hinab zu steigen.
Die Treppe mündete in einem kleinen Raum, der
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