Feenkind
meinen Rat gehört zu haben." Kalla sprach die letzten Worte betont gleichgültig, als würde sie das Schicksal des Mädchens überhaupt nichts angehen. Doch Eliza ließ sich nicht durch den beiläufigen Ton der Frau täuschen. Sie spürte deutlich, dass diese viel mehr wusste, als sie ihr erzählte. Sie hatte ihre Geschichte zwar so geschickt mit Halbwahrheiten gespickt, dass Eliza nicht eindeutig feststellen konnte, welcher Teil der Wahrheit entsprach, doch musste die Bibliothekarin einen sehr guten Grund haben, ein solches Risiko gegenüber einer Dunkelfee einzugehen.
"Wie hieß denn die Kleine?"
"Sie hat mir ihren Namen nicht gesagt."
"Und wo ist sie jetzt?"
"Ich weiß es nicht."
Diesmal log die alte Frau ganz eindeutig.
Auf einen Wink von Eliza packten Gheorghe und Traian jeder einen Arm. Die Frau blickte erschrocken von einem zum anderen. Dann sackten ihre Schultern nach vorn und sie schien sich in ihr Schicksal zu fügen.
Eliza ließ wieder einen dunklen Feuerball in ihrer Handfläche wachsen. "Ich dachte, wir hätten eine Abmachung gehabt", wandte sie sich ruhig an Kalla. "Ihr sagt mir die Wahrheit und im Gegenzug muss ich niemandem wehtun. Aber Ihr habt mich belogen und das bringt mich in die unangenehme Lage, Dinge zu tun, die ich lieber nicht tun würde."
Kallas Gesicht wurde noch bleicher, nun wirkte es völlig blutleer, doch sie hielt Elizas Blick entschlossen stand. Sie würde ihre Dhalia nicht verraten.
Eliza deutete Kallas Gesichtsausdruck. Sie war eine mutige Frau. Es blieb abzuwarten, ob sie mit dem Leben anderer Menschen genauso leichtfertig umgehen würde wie mit ihrem eigenen.
"Hol mir drei weitere Menschen her", befahl sie Gheorghe. Grinsend verließ der Wächter das Zimmer.
Sie warteten in vollkommener Stille auf seine Rückkehr.
Ängstlich starrte Kalla auf den offenen Durchgang in die große Halle. Wen würde er bringen? Welchen Freund wäre sie bereit zu opfern, um Dhalia zu schützen? Tief in ihrem Inneren kannte sie ihre Antwort, auch wenn sie selbst ihren Verrat nicht fassen konnte. Sie würde keinen Menschen sterben lassen können, um das Geheimnis ihrer jungen Freundin zu schützen. Dhalia hatte die Chance, sich zu wehren, die Besucher der Bibliothek hatten sie nicht.
Eliza spürte förmlich, wie sich Kallas Aura entspannte. Sie hatte gewonnen, die alte Frau würde reden.
"Also, wie heißt nun das Mädchen?" fragte Eliza beinahe sanft.
Überrascht blickte Kalla sie an. Es war erschreckend, mit welcher Leichtigkeit die Dunkelfee ihre Gedanken zu lesen schien. Sie schluckte. Sie würde nicht kampflos aufgeben. "Das hat sie mir nicht gesagt", sagte sie leise, während sie mit aller Macht daran dachte, dass das eigentlich die Wahrheit war.
Eliza runzelte missbilligend die Stirn, ließ es aber dabei bewenden. "Ist auch nicht so wichtig", murmelte sie leise. "Wo wollte sie hin?"
Als Kalla mit ihrer Antwort zögerte, winkte Eliza Gheorghe, der mit seinen drei Opfern hinter der Bibliothekarin Stellung bezogen hatte, näher zu sich heran. Darunter befand sich auch die junge Frau, mit der sie am Anfang gesprochen hatte.
Beiläufig schleuderte Eliza eine kleine Feuerkugel, die die junge Frau an der Schulter streifte. Sie stieß einen gellenden Schrei aus, presste ihre unverletzte Hand darauf und fing an, heftig zu schluchzen. Verächtlich blickte die Dunkelfee auf die Frau herab. Sie selbst hatte schon weitaus schlimmere Verletzungen, ohne mit der Wimper zu zucken, ertragen.
Doch der Effekt auf Kalla war einfach unübertrefflich. "Aufhören!" schrie sie mit verzweifelter Stimme.
"Wo ist das Mädchen?"
"Sie wollte..." Kallas Stimme brach wieder ab. Sie schien fieberhaft nach einem Ausweg zu suchen. Elizas Geduldsfaden riss. Sie war dieses lästigen Hin-und-Her-Spiels überdrüssig. Erneut schwoll ein knisternder lila Feuerball in ihrer Hand an und sie blickte Kalla ohne eine Spur von Gefühl in die Augen. "Es reicht. Es ist deine Entscheidung. Entweder du sagst mir, was ich wissen will, oder sie sterben alle, einer nach dem anderen."
Plötzlich drang ein schwaches Leuchten aus einer Tasche in Elizas Umhang. Irritiert über die Störung griff sie hinein und zog eine kleine Kristallkugel heraus, die in einem warmen Gelbton leuchtete. Sie hielt die Kugel auf Augenhöhe und betrachtete sie einige Augenblicke lang äußerst aufmerksam. Als sie ihre Augen schließlich abwandte, war der Lichtschimmer auch schon erloschen.
Höchst zufrieden wandte sie sich an Kalla. "Die Höhlen von Marterim also,
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