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Feenkind

Feenkind

Titel: Feenkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Zeißler
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bewusst und ohnmächtige Tränen traten ihr in die Augen. Das Labyrinth war von geheimen Gängen und Wänden durchzogen. Die Stunden ihrer Suche waren völlig sinnlos gewesen - sie konnte nicht einmal ahnen, an wie vielen verborgenen Gängen sie vorübergegangen war.
Verzweifelt fuhr Dhalia sich über das Gesicht. Denk nach, denk nach, noch ist nicht alles verloren, hämmerte es in ihrem Kopf. Sie blickte auf ihre Lampe. Ihr blieb noch für etwa zwei Stunden Licht, dann würde sie in Finsternis gehüllt sein. Kalte Angst stieg in ihr hoch. Auf einmal spürte sie den Druck der Tonnen von Erde über ihr auf ihrer Brust lasten und ihr den Atem abschnüren.
Noch zwei Stunden, zwei Stunden - das war der einzige Gedanke, der dumpf in ihrem Kopf widerhallte, während sie der kleinen Flamme in der verrußten Öllampe zusah, die Sekunde um Sekunde wertvolles Licht produzierte.
Erst nach einigen Minuten wurde es Dhalia bewusst, dass sie kostbare Zeit vergeudete. Sie beugte sich vor und löschte die Lampe. Einen Augenblick lang sah sie den Docht noch rötlich nachglühen, dann wurde es völlig dunkel um sie herum.
Sie wusste nicht, wie lange sie im Dunkeln gesessen hatte, vielleicht war sie auch kurz eingenickt. Es konnte aber nicht lange gewesen sein, denn die Lampe, die sie als ihren wertvollsten Besitz in beiden Händen hielt, war noch warm von dem Feuer, das in ihr gebrannt hatte.
Sie schreckte hoch, weil sie wieder den gespenstischen Wind herannahen spürte. Sie wartete, bis er vorüber war, dann griff sie nach ihrem Rucksack, um die Lampe wieder anzuzünden. Mitten in der Bewegung erstarrte sie jedoch. Ihre Augen hatten sie in die Irre geführt, da sie den Unterschied zwischen echten Wänden und Geheimgängen nicht erkennen konnten. Ihr Tastsinn war in dieser Hinsicht wesentlich zuverlässiger.
Sie verstaute ihre Laterne wieder sorgfältig in ihrem Rucksack und richtete sich langsam auf. Zum Glück waren die Gänge nicht breit. Wenn sie sich in die Mitte stellte und ihre Arme ausstreckte, konnte sie beide Wände berühren. Das musste reichen.

Schon nach kurzer Zeit stellte Dhalia resigniert fest, dass es doch keine so gute Idee gewesen war. Ihre Schultern brannten vor Anstrengung und sie kam nur sehr mühsam und langsam voran. Als sie die Anspannung in ihren Armen nicht mehr aushalten konnte, blieb sie stehen und massierte ihre schmerzenden Muskeln.
Auf einmal spürte sie einen ganz leichten Luftzug auf ihrer Haut. Neugierig tastete sie die Wand ab und griff tatsächlich ins Leere. Da war ein Durchgang. Einer Vorahnung folgend, kramte sie ihr Feuerzeug heraus und schlug einige Funken. Genug, um zu sehen, dass es sich um einen verborgenen Gang handelte. Wenn ihre Augen sie schon täuschten, funktionierten die anderen Sinne zum Glück einwandfrei. Auch ihr Gehör schien empfindlicher zu werden. In der Finsternis hörte sie Geräusche, die ihr zuvor nicht aufgefallen waren - das stetige ‚Plopp' winziger Wassertröpfchen, die von der Höhlendecke tropften, das leise Krabbeln kleiner Tierchen oder auch das ferne Herannahen des ‚Toten Windes', wie sie ihn insgeheim genannt hatte. Sie konnte den Wind tatsächlich schon vom Weiten hören und verharrte jedes Mal flach an die Wand gedrückt, um ihn vorüberziehen zu lassen.
Als sie den Wind nun wieder ankommen hörte, stellte sie sich wie immer an die Seite. Doch anstatt sie im Vorbeirauschen nur ganz leicht zu streifen, spürte sie ihn dieses Mal mitten durch sich hindurch gehen. Dhalia schnappte überrascht nach Luft, als mit dem Wind eine ganze Wolke von Bildern und Emotionen sie durchdrang.
Der Geheimgang! fuhr es ihr durch den Kopf. Ich stehe direkt davor!
Noch lange nachdem die Wolke weiter gezogen war, konnte sie ihren sanften Ruf in ihrem Kopf vernehmen.
    Willkommen, Schwester. Lass dich treiben. Tanz mit uns, Schwester.

Hatte sie das eben wirklich gehört oder hatte sie sich bloß eingebildet, etwas im Rauschen des Windes zu hören? Brachten die Dunkelheit und die Stille sie dazu, Stimmen zu hören, die nicht da waren? Und wenn hier tatsächlich Magie im Spiel war - sollte sie ihrem Ruf folgen? Sie war schon einmal so töricht gewesen und das hatte sie beinahe ihr Leben gekostet.
Vorsichtig ging Dhalia weiter. Doch die Dunkelheit um sie herum war nicht mehr still. Es war, als hätte sich eine Schleuse in ihr geöffnet, so dass sie nun immer wieder geraunte Grußworte hörte.
    Willkommen.
Lass dich treiben.
Hör auf dein Gefühl.
Wir wissen, was du suchst. Lass dich

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