Feenkind
brach ihm der kalte Angstschweiß aus, als er auf ihrem Rücken zwei zusammengefaltete durchsichtige Flügel erblickte. Sie schien seinen Blick bemerkt zu haben, denn das zufriedene Lächeln verstärkte sich, während ihre kalten, lila schimmernden Augen ihn fixierten.
Sie kam aufreizend langsam auf ihn zu, setzte sich auf einen Stuhl neben ihn und schlug lässig ihre langen Beine übereinander. Dann deutete sie auf seine noch immer geschwollene Nase. "Ich möchte alles über das Mädchen erfahren, das dir das hier verpasst hat."
"Und was habe ich davon?" Matthew versuchte, trotz der Paukenschläge, die in seinem Hirn zu toben schienen, geschäftsmäßig zu klingen. Er hatte nichts zu verlieren.
Die Dunkelfee verzog keine Miene, doch er hatte den Eindruck, ein amüsiertes Funkeln in ihren Augen auftauchen zu sehen.
"Dein Leben. Wenn mir die Antworten gefallen, die du gibst."
Das war fair genug. "Was wollt Ihr wissen?"
"Wo ist sie jetzt?"
"Ich weiß es nicht."
Eliza verzog missbilligend den Mund. Das fing nicht gerade viel versprechend für ihn an. "Wie heißt sie?"
Matthew überlegte kurz, ob er irgendeinen Namen nennen sollte, entschied sich jedoch, bei einer Dunkelfee keine Lüge zu riskieren. "Ich weiß nicht."
"Gut." Eliza nickte zufrieden. Der Blick ihrer Augen sagte ihm, dass die Wahrheit die richtige Entscheidung gewesen war. "Schön, und jetzt will ich ganz genau wissen, was vorgefallen ist."
Matthew dachte einen Augenblick lang nach. "Es war Abend und ich war auf der Suche nach ein wenig ... Zerstreuung. Plötzlich sah ich die Kleine in die Straße biegen und schnurstracks an mir vorbeigehen. Sie war hübsch, sie war allein und tief in Gedanken versunken. Ich glaube nicht, dass sie mich überhaupt bemerkt hatte."
"Wie spät war es da?"
"Ungefähr zwei Stunden vor Sonnenuntergang."
"Wie sah sie aus?"
"Hübsch. Lange blonde Haare, grüne Augen, ungefähr Eure Figur." Er überlegte kurz. "Sie war sehr jung, kaum zwanzig, würde ich sagen."
"Irgendwelche besonderen Erkennungszeichen?"
"Ihre Augen sind sehr auffällig grün und sie trug ein schönes hellblaues Kleid. Sie ist aber auch sonst keine Erscheinung, die man leicht übersieht."
"Du bist ihr also gefolgt, was geschah dann?"
"Sie ging sehr schnell, ich musste mich also beeilen, um ihr hinterher zu kommen. Sie muss meine Schritte gehört haben, denn auf einmal wurde sie schneller. Ich sagte ihr, sie solle stehen bleiben, doch sie tat es nicht. Also hielt ich sie fest. Sie schien ganz wehrlos und verloren. Einige Freunde von mir kamen in die Straße gebogen und ich wollte ihnen schon meine zahme Beute präsentieren. Doch plötzlich riss sich das kleine Biest los, ich ging zu Boden und als ich sie festhalten wollte, brach sie mir mit einem Tritt die Nase. Meine Männer stürmten ihr sofort hinterher. Sie war sehr schnell, doch sie hatte nur einen Vorsprung von wenigen Metern. Einer hatte gesehen, dass sie in eine Seitenstraße geflüchtet war, und folgte ihr. Aber sie war verschwunden. Wir hatten die ganze Gegend abgesucht, ohne eine Spur von ihr zu finden. Seitdem habe ich die kleine Hexe nicht mehr gesehen und ich hoffe, dass es auch so bleibt", schloss Matthew finster.
Nachdenklich lehnte die Ermittlerin sich zurück. Man brauchte schon sehr viel Fantasie, um in der Geschichte etwas Übermenschliches zu erkennen. Wahrscheinlich war es nur der verletzte Männerstolz, der einen Grund für die demütigende Niederlage durch ein Mädchen benötigte. Eliza hätte am liebsten laut geflucht. Wenn das stimmte, war sie fast zwei Tage lang einer falschen Spur gefolgt. Und da das die einzige Spur war, die sie überhaupt hatte, konnte sie gleich mit leeren Händen zum Hauptquartier zurückkehren. Zumindest würde sie dann endlich diesen schäbigen Ort verlassen.
Sie beugte sich dicht über Matthew. "Und was glaubst du? Denkst du, sie ist euch durch Zauberei entkommen?"
Matthew zuckte mit den Achseln und setzte zu einer Antwort an. Doch stattdessen blieb sein Mund offen stehen und sein Blick heftete sich wie gebannt auf Elizas Brust.
Empört wollte die Dunkelfee den Mann schon zurecht weisen, als ihr auffiel, dass er gar nicht auf ihre Brust, sondern auf ihren Anhänger starrte, der unter ihrer Kleidung hervorgekommen war und nun sichtbar auf der dünnen Silberkette an ihrem Hals baumelte.
Aufgeregt hielt sie ihm ihr Shitakh, ein silbernes Blatt vom Baum der Zeiten, hin, das seit Generationen in ihrer Familie weitergereicht wurde. "Du hast so etwas schon mal gesehen,
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