Feenkind
keine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Als der Reiter jedoch sein Pferd neben ihr zügelte, anstatt in vollem Galopp an ihr vorbei zu reiten, blickte sie überrascht zu ihm herüber.
Fast ohne ihr Zutun sprang ihr Schwert aus seiner Scheide.
"Bin ich froh, dass ich Euch endlich gefunden habe", keuchte Christopher, der das auf seinen Hals gerichtete Schwert nicht zu bemerken schien.
Die aufrichtige Erleichterung in seiner Stimme erstaunte Dhalia. Argwöhnisch musterte sie seine Gestalt. Seine Haare standen zu Berge, sein Gesicht und seine Kleidung waren mit einer dicken Staubschicht bedeckt. Seine Augen glänzten fiebrig vor Aufregung und er schien ganz außer Atem zu sein. Auch sein Pferd, übrigens ein anderes als am Morgen, wie ihr sofort auffiel, war völlig erschöpft und schien jeden Augenblick umfallen zu können. Alles in allem sah er nicht besonders Vertrauen erweckend aus. Auch die Tatsache, dass er offensichtlich große Mühe auf sich genommen hatte, sie zu finden, trug nicht gerade dazu bei, ihre Bedenken zu zerstreuen.
Soviel also dazu, dass sich unsere Wege nicht wieder kreuzen, fuhr es ihr durch den Kopf.
Sie zuckte erschrocken zurück, als er Anstalten machte, ihre Hand zu ergreifen, und hob ihr Schwert noch näher an sein Herz.
Erstaunt, als hätte er sie gerade erst bemerkt, starrte Christopher auf die Schwertspitze, die beinahe seine Brust berührte. In den letzten Stunden war er so darauf fixiert gewesen, das Mädchen zu finden, hatte ihretwegen so viel durchgemacht, dass er ganz vergessen hatte, dass sie überhaupt keinen Wert darauf legte, von ihm gefunden zu werden. Beinahe beleidigt gab er seinen Versuch auf, ihre Hand zu ergreifen. Flüchtig fragte er sich, ob sie den ganzen Ärger, den sie ihm einbrachte, überhaupt wert war. Doch Eliza war ihretwegen quer durch das gesamte Reich gereist. Das musste etwas bedeuten. Er hatte nur noch nicht herausgefunden, was.
"Wir müssen sofort von der Straße runter", sagte er drängend. Diesmal versuchte er nicht, ihr körperlich näher zu kommen.
Obwohl Dhalia noch vor einigen Minuten genau das vorgehabt hatte, verspürte sie nun nicht mehr die geringste Lust dazu. "Es steht Euch frei, die Straße zu verlassen", sagte sie betont unbeteiligt. "Ich denke, ich habe bereits klar genug gemacht, dass ich mit Euch nichts zu tun haben möchte."
Sie steckte ihr Schwert zurück in die Scheide und schlug Bruno ihre Fersen leicht in die Flanken. Gehorsam trabte das Pferd los.
Chris merkte, dass er so nichts erreichen konnte, und setzte sein Pferd ebenfalls in Bewegung.
"Warum lasst Ihr mich nicht einfach in Ruhe?" fragte die junge Frau müde, als er zu ihr aufschloss.
"Ihr seid in großer Gefahr. Wir müssen sofort von der Straße herunter." Wie sollte er ihr bloß ihre Lage begreiflich machen?
"Das sagt Ihr!" entfuhr es ihr ungehalten. "Ich soll einem gemeinen Dieb und einem Lügner in den Wald folgen?! Wovon träumt Ihr eigentlich?"
"Und Ihr seid wohl eine Prinzessin, wie?" fauchte er zurück. "Ich hätte nicht übel Lust, Euch hier einfach stehen zu lassen. Verdient hättet Ihr es ja."
"Warum tut Ihr es dann nicht einfach?" fragte Dhalia hoffnungsvoll. "Ich habe Euch nichts getan, warum verfolgt Ihr mich?"
"Weil ich Euch nur ungern tot sehen möchte", presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Da war etwas in seinen Augen, dass sie wider alle Vernunft dazu brachte, ihm zu glauben. Sie spürte, wie kalte Angst ihr das Rückgrat herunter kroch und sich irgendwo in ihrer Magengrube festsetzte.
"Wir müssen dringend miteinander reden", sagte Christopher, nun etwas sanfter, da er spürte, dass ihr Widerstand nachließ. "Lasst uns von der Straße verschwinden."
"Nein!" Ihre Augen blitzten gefährlich. Sie traute ihm immer noch nicht genug. "Wir reiten. Ihr redet. Und in der nächsten Herberge, die wir sehen, kehren wir ein", entschied sie schließlich.
Er seufzte resigniert. Hoffentlich war die nächste Herberge nicht mehr weit. Er hatte die Grenze der Erschöpfung bereits überschritten und auch das Mädchen sah aus, als würden ihr jeden Augenblick die Augen zufallen. Und doch hielt sie sich bemerkenswert aufrecht. Er konnte nicht umhin, ihre Kraft zu bewundern, auch wenn sie gleichzeitig sein größtes Problem darstellte. Wenn es ihm nicht bald gelang, ihr Vertrauen zu gewinnen, würde ihm wohl nichts übrig bleiben, als sie ihrem Schicksal zu überlassen, bevor Eliza sie fand. So gern er der Kleinen auch eine Gefangennahme durch die Dunkelfee ersparen
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