Feenland
fand, waren ein paar tote Puppen. Ich sah keine einzige Fee
länger als einen Sekundenbruchteil.«
»Wir machen uns unsichtbar«, sagt Ray. »Das ist
einer unserer Tricks.«
»Sie haben jede Menge Fluchtwege«, erklärt Alex.
»Für jeden Eingang gibt es zwei Ausgänge. Sie
müssen gar nicht unsichtbar sein.«
»Die Typen, die auf der Strecke blieben, als ich meinen
Bruder rausholte, waren nicht unsichtbar«, sagt Katrina.
»Vielleicht waren das keine Feen«, gibt Ray zu
bedenken.
»Vielleicht bist du kein Elf.«
»Puppen-Fickerin!« sagt Ray gelassen.
»Das hättest du wohl gern, was?«
Morag gibt nicht auf. »Ich brauche nur Hilfe, um die
Barrieren zu überwinden. Was ist, Ray? Wieviel verlangst du,
wenn du mich ins Magic Kingdom einschleust?«
»Er will kein Geld«, sagt Alex. »Er will etwas von
mir.«
Ray nickt.
»Bestimmte Drogen«, erklärt Alex. »Hormone. Er
verhökert sie.«
»Alex Nummer-Eins.«
»Stimmt. Ich war der erste, der die Dinger herstellte, aber
ich hatte damals keine Ahnung, worauf ich mich einließ. Morag,
das Eindringen ins Magic Kingdom ist wirklich nicht das Hauptproblem.
Es geht vielmehr darum, daß wir eine Art Krieg gegen die Feen
führen. Ich möchte, daß Sie das begreifen, denn wir
brauchen Ihre Hilfe.«
»Alex, das ist eine ganz verrückte Idee«, warnt
Katrina.
»Sie sind Drogendealer?« fragt Morag.
»Nicht ganz. Ich war mal eine Art Genhacker, spezialisiert
auf psychoaktive Retroviren. Kennen Sie Ghost? Na ja, das
liegt schon eine Zeit zurück, und Viren sind aus der Mode
gekommen. Inzwischen designe ich Fembots.«
»Was erhoffen Sie sich aus dieser Geschichte?«
»Informationen – wenn ich sie bekommen kann. Es ist
alles eng verzahnt, Morag. Es kommt alles aus einer Quelle. Ich
versuche sie aufzuspüren.«
»Diese Frau?«
»Ja. Diese Frau.«
Alex sagt das mit so verzweifelter, sehnsuchtsvoller Stimme wie
der schmachtende Liebhaber in einem Melodram, daß es Morag
schwerfällt, ernst zu bleiben. Katrina wirft ihm einen betont
kühlen Blick zu, der aber eine Welle von Mitgefühl
verrät. Sie sind beide tief im Innern verletzt, denkt Morag. Sie
verstehen sich ohne Worte.
»Und was erwarten Sie von mir?« erkundigt sich
Morag.
»Sie sollen unser Köder sein.«
Morag begreift nicht, was er meint.
»Wir warten ab, bis ihr Agent versucht, auch Sie zu
töten. Dann bringen wir ihn in unsere Gewalt und holen aus ihm
alles heraus, was wir wissen müssen, um ins Magic Kingdom zu
gelangen.«
»Das ist doch Wahnsinn.«
»Die sind total verrückt«, sagt Ray. »Loco.
Die wollen Dinge wissen, die nicht für Menschen bestimmt
sind.«
»Sie haben es auf Kinder abgesehen«, erklärt
Katrina. »Täglich werden mehr entführt. Ich habe bis
jetzt zwei ihrer Nester zerstört. Beim zweiten Mal hatte ich
nicht die richtigen Informationen und wäre um ein Haar hops
gegangen. Ich möchte in Kürze den nächsten Versuch
wagen. Sie könnten meine Überlebenschancen
verbessern.«
Morag wendet sich an den Elf. »Was ist nun, Ray? Ich bin
Medizin-Assistentin. Ich kann dir Drogen beschaffen.«
»Nicht die Sorte, die er braucht«, wirft Alex ein.
»Das stimmt«, sagt Ray.
Alex wendet sich an Morag. »Sie bleiben am besten hier. Der
Agent wird nach Ihnen suchen, und eine Begegnung mit ihm könnte
Ihr Ende sein. Ich habe allen Grund zu der Annahme, daß er eine
tödliche Gefahr darstellt.«
Morag nimmt ein ausgiebiges Bad in der alten Emailwanne mit den
Klauenfüßen, die sich in einem kahlen Raum mit
Stockflecken an den Wänden befindet. Durch ein Dachfenster mit
verzogenem Rahmen dringt eiskalte Luft herein. Der Raum füllt
sich mit Dampf, und sie schläft fast ein; deshalb
läßt sie das Wasser ab, wickelt sich in ein Handtuch und
nimmt eine kleine schwarze Weckpille. Sie weiß aus langer
Erfahrung, daß sie mit ein wenig chemischer Unterstützung
zwei Tage ohne Schlaf durchhalten kann.
Das Handy ist noch in ihrer Tasche, und sie versucht, Kontakt zu
ihrer Wohnung aufzunehmen. Sie bekommt keine Verbindung. Nicht einmal
der Hausmeister meldet sich. Morag spürt mit einem Mal eine
Gänsehaut, und ein heftiges Zittern überläuft sie in
dem kalten, dampfigen Bad. Sie ruft in der Klinik an, läßt
sich die chirurgische Station geben und fragt nach Nina.
Vom Anrufbeantworter am Empfang erfährt sie, daß Nina
Dienst hat, aber nur in einem dringenden Notfall gestört werden
kann. Morag will eben erwidern, daß es sich um einen
Notfall handelt, als ein Mann das Tonband ausschaltet
Weitere Kostenlose Bücher