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Feenland

Feenland

Titel: Feenland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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dicht hinter
Armand stehen und reicht ihm eine Flach-Aufnahme in einem polierten
Aluminiumrahmen. Eine andere, jüngere Frau in einem
lindgrünen Taucheranzug, die direkt in die Kamera blickt, Maske
und Schnorchel in ein nasses Gewirr langer schwarzer Haare
hochgeschoben, im Hintergrund das Leuchten von salzweißem Sand
und blauem Wasser.
    Diese Frau hätte Mister Mike töten sollen, aber sie war
nicht hier, und so brachte er ihre Mitbewohnerin um. Der Elf
erklärt das Armand und befiehlt ihm streng, nie wieder etwas zu
tun, das ihm keiner befohlen hat. Dann schärft er Armand ein,
keinen Schritt aus der Wohnung zu tun, bis ihn jemand abholt, und
küßt ihn voll auf den Mund. Ehe er das Apartment
verläßt, überzeugt er sich, daß der Kuß
wirkt, und wiederholt seine Anweisungen immer wieder, bis er sieht,
daß Armand voll unter seinem Bann steht.
    Der Hauch von Soma, den ihm der Kuß vermittelt hat,
verwischt die scharfen Ränder der Dinge, aber das Licht ihrer
wahren Beschaffenheit hat sich tief in die toten Hüllen
eingebrannt. Allein in der Wohnung, wandert Armand auf und ab,
verängstigt, aufgeregt, von Übelkeit geplagt. Er ist frei
und doch nicht frei. Er denkt daran, die Tür zu öffnen und
einfach zu gehen, aber er weiß, das wird er nicht tun. Das kann
er nicht tun. Er steht unter einem Bann.
    Armand plündert den Kühlschrank und verdrückt eine
halbe Honigmelone, eine Pfefferwurst, drei Anchovis sowie einen
wässerigen Tofuwürfel. Während er ißt, erhellt
die Morgendämmerung allmählich den Himmel. Ketten
grünlicher Straßenlaternen verblassen, als sich die grauen
Straßen und Häuserblocks aus den Schatten lösen. Die
Rand-Arkologien türmen sich wie Gewitterwolken am Horizont der
Stadt.
    Armand schaltet den Fernseher ein, um Gesellschaft zu haben, und
stellt den Ton leise. Er verschiebt die Teppiche so, daß sie
die Blutspritzer zudecken. Er durchwühlt die Schränke in
den beiden Schlafzimmern, riecht an den Kleidern, wird erregt. Es ist
nicht so, daß er vergessen hat, wie Frauen sind, aber er will
nicht daran denken, weil dieser Teil in ihm zuviel Ähnlichkeit
mit Mister Mike hat.
    Er legt sich auf das ungemachte Bett und atmet den Frauenduft des
Kissens ein, masturbiert mit einem Höschen, das er sich um den
Schwanz wickelt. Er kommt sofort. Als es beim zweiten Mal nicht mehr
klappt, schnappt er sich den kleinen Mobot, der unter dem Bett
lauert, und stampft darauf herum, bis das Keramikgehäuse
zersplittert. Er findet einen zweiten Mobot unter dem Rouleau des
großen Aussichtsfensters im Wohnzimmer, ein Ding wie eine fahle
Spinne, das sich mit Saugnäpfen an der Glasscheibe
festhält. Armand bricht ihm die dünnen Beine ab, eins nach
dem anderen, wirft es auf den Rücken und lacht, als es sich
vergeblich aufzurichten versucht.
    Später, als er pissen muß, hemmt ihn die anklagende
Gestalt in der Duschkabine, aber nachdem er ihr ein Handtuch
über den Kopf geworfen hat, geht es ganz leicht. Er grinst in
den Badspiegel, und Mister Mike grinst zurück. Er ist
bereit.

 
11    Erste Strahlen der Neu Aufgehenden
Sonne
     
     
    Der Elf trägt den Namen Erste Strahlen der Neu Aufgehenden
Sonne. Alex nennt ihn Ray, den Strahl. Ray besitzt zwar die blaue
Haut und die drahtige, kaum einen Meter hohe Statur einer Puppe, aber
er hat auch große, goldgefleckte, sanft strahlende Augen und
die hohen, betonten Wangenknochen, für die sich jedes Model
freiwillig unter das Messer begeben würde. Rays abstehende Ohren
sind so spitz wie die von Mister Spock, und die Spitzen ragen
über die blaue Strickmütze auf, die seinen kahlen
Schädel bedeckt. Die Ohren zucken hierhin und dorthin, als
führten sie ein Eigenleben. Ihre Ränder sind eingekerbt,
und links trägt er jede Menge Goldringe und Clips.
    Ray ist ein Einzelgänger, der vor mehr als fünf Jahren
aus einem Gehege bei Amsterdam befreit und mit einem neuen Chip
ausgestattet wurde. Heute lebt er im äußersten Bereich des
Randgebiets. Er ist entlang der Küste Europas bis zur
Südspitze Spaniens vorgedrungen und auf der anderen Seite wieder
nordwärts gezogen. Er befingert die Knoten eines langen, um
seine Taille geschlungenen Stricks und erzählt, daß sich
immer mehr Randbewohner dem Kinder-Kreuzzug anschließen. Sie
nennen sich die Geretteten und versuchen jeden, ob Mensch oder Fee,
für ihre Sache zu gewinnen.
    »Sie sind im Kopf krank«, sagt Ray in einem ungemein
gewählten Schulbuch-Französisch. Er kauert auf dem
ausgefransten Orientteppich und

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