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Feenland

Feenland

Titel: Feenland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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hier.«
    »Kritiker könnten sagen, wenn Sie in der Stadt leben,
sollten Sie sich nicht mit Leuten von außerhalb unterhalten.
Insbesondere nicht mit den Kindern des Kreuzzugs.«
    »Glauben Sie so einen Unsinn?«
    Marku lächelt. »Ich sorge mich nur um Ihre Sicherheit.
Niemand in diesem Staat hat Verständnis für den Kreuzzug.
Aber seine Anhänger sind reich und werden protegiert, und
deshalb hassen und fürchten meine Landsleute alle Personen, die
irgendwie mit dieser Bewegung zu tun haben.«
    Todd traut diesem Lächeln nicht. »Schön, ich werde
den Kontakt meiden«, sagt er. »Die UN-Soldaten hielten uns
eine Weile fest, für den Fall, daß wir den Ernst der Lage
nicht kapiert hätten. Außerdem bin ich nun mal hinter der
wahren Story her.«
    »Immer noch der legendäre Wilde Mann?« meint Marku.
»Es ist mir eine Ehre, wieder für Sie zu
arbeiten.«
    »Sparen Sie sich dieses Gesülze für das Interview,
Eduard. Ich habe das leise Gefühl, daß wir dafür all
unseren Charme zusammenkratzen müssen.«
    »Keine Sorge. Sie will mit Ihnen sprechen. Sie sagt, Sie sind
der einzige Journalist, der bekannt genug ist, um ihre Story
rauszubringen.«
    »Dann sülzt sie noch mehr als Sie, Mann. Wenn sie Will,
kann sie jederzeit mit Vogue oder Rolling Stone plaudern.«
    »Ah, aber sie will kein Interview mit einem dieser
Online-Magazine, die heute in und morgen wieder vergessen sind. Sie
will ein Gespräch mit dem Wilden Mann von Atlanta.«
    »Sie geilen sich an dieser Sache richtiggehend auf, Eduard.
Ich weiß nicht, ob ich das schmeichelhaft oder
beängstigend finden soll.«
    »Mir geht es rein ums Geld«, erklärt Marku.
»Ich würde lieber heute als morgen das Land verlassen. Ich
habe zu viele Feinde.«
    Todd und Marku überqueren einen kleinen, regulierten
Flußarm, und passieren das Enver-Hodscha-Ehrenmal, ein
merkwürdiges Gebilde, das an ein startbereites Riesen-UFO aus
Beton erinnert. Obwohl viele Albaner den seit langem toten Diktator
immer noch den Häßlichen nennen und seine Schandtaten
verfluchen, wünschen ihn in diesen schweren Zeiten auch manche
zurück. Allmählich verschmilzt er mit dem früheren
Helden Skanderbeg, der die Türken vertrieb und das Land einte.
Es heißt, daß er niemals richtig starb, sondern nur
darauf wartet, wieder zu den Waffen zu greifen und Albanien zu
retten.
    Sobald er sich vergewissert hat, daß niemand ihnen folgt,
wirft sich Marku in das Verkehrsgewühl, weicht elegant wie ein
Stierkämpfer einer Fahrrad-Rikscha aus und winkt ein
Mercedes-Taxi herbei. Es ist von Diesel auf Alkohol umgestellt und
wird von Fehlzündugen und Aussetzern geschüttelt. Bei dem
Tempo, mit dem es über die schlecht instandgehaltenen
Straßen rumpelt, blickt Marku wiederholt auf seine altmodische
LED-Uhr, aber selbst sein drängender Wortschwall kann den Fahrer
nicht aus der Ruhe bringen.
    Dieser Teil von Tirana wurde nach dem Erdbeben von 09 nicht wieder
aufgebaut; es gibt ganze Straßenzüge mit geborstenen,
dachlosen Ruinen. Landbewohner, die beim Näherrücken der
progriechischen Rebellen in die Stadt geflohen waren, kampieren in
dem unkrautüberwucherten Schutt. Blauer Holzrauch erfüllt
die Luft. Fledermäuse, die in den kahlen, abgestorbenen
Bäumen am Straßenrand hängen, zucken wie kleine
Ledertaschen, die im Begriff sind, sich selbst auszupacken. Eine
ausgemergelte Kuh hat sich auf die Straße verirrt und bleibt
erschrocken stehen, als der Fahrer ungeduldig hupt, bis sie ein
kleiner zerlumpter Junge mit einem Stecken vertreibt.
    »Bauer bleibt Bauer, was?« grinst Marku.
    Seine Jacke ist hochgerutscht, und Todd sieht die Pistole, die in
seinem Hosenbund steckt. »Was ist das für ein
Ballermann?« erkundigt er sich.
    Marku zieht die Waffe heraus und zeigt sie Todd. Sie hat einen
kurzen, dicken Lauf und einen Selbstladeschlitten. Als Marku das
Magazin herausnimmt, beobachtet ihn der Fahrer kurz im
Rückspiegel und schaut dann wieder weg. »Gefällt sie
Ihnen?« fragt Marku. »Russisches Fabrikat. Die stellen gute
Automatiks her.«
    »Nicht gerade ein Spielzeug, Eduard.«
    »Ein Schuß genügt, um einen Gegner außer
Gefecht zu setzen. Hülsenlose Hohlspitzgeschosse, versenkbare
Laser-Zielvorrichtung. Das Ding leistet ganze Arbeit.« Mit einem
Lächeln schiebt Marku das Magazin wieder ein und verstaut die
Waffe unter seiner Jacke.
    »Haben Sie schon mal einen Menschen erschossen?«
    »In dieser Stadt brauchen Sie eine Waffe«, sagt Marku
ausweichend. »Daheim habe ich eine Mini-Mac-10.«
    Todd

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