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Feenland

Feenland

Titel: Feenland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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als
bösartig bezeichnen«, antwortet Mistress Powell.
»Zumindest tagsüber tun sie uns nichts. Tagsüber sind
wir für sie wenig mehr als Träume.«
    »Das ist das erste vernünftige Wort, das ich von Ihnen
höre«, sagt Katrina. »Und Träume, die können
wir ihnen liefern.«
    Sie heftet eine kleine Infrarot-Quelle an einen Baumstamm,
überquert die Straße und befestigt dort an einem anderen
Baum den Sensor und den kleinen Projektor. Das alles dauert nicht
länger als eine Minute.
    »Jeder, der uns verfolgt, wird ein Hologramm
auslösen«, erklärt Alex Mistress Powell. »Einen
kleinen Ausschnitt aus einem alten Horrorfilm.«
    Ringsum wachsen locker verteilte Eichen in das Licht der
Spätnachmittagssonne. Es ist kühl und schattig unter ihrem
dichten Laubdach. Ihre moosigen Wurzeln umklammern flechtenbedeckte
Felsbrocken. Katrinas Geheul wird von der geschäftigen Stille
geschluckt, mit der die Bäume Sonnenlicht trinken, um Wasser und
Sauerstoff auszuatmen.
    Dann erhebt sich weit weg ein schwaches Antwortheulen.
    Mistress Powell überläuft ein Schauder. Katrina grinst
und spielt mit dem kleinen Silberkreuz, das sie dem Kommandanten
abgenommen hat.
    »Ich glaube nicht, daß Ihnen dieses Ding viel
nützt«, sagt Mistress Powell. »Die Mächte sind
schließlich weit älter als das da. Gehe ich recht in der
Annahme, daß wir einen Werwolf aufgescheucht haben?«
    »Sie haben selbst gesagt, daß die nur nachts
herauskommen.« Katrina streicht über den Lauf der
Maschinenpistole, die sie an sich genommen hat. »Außerdem
bin ich besser bewaffnet.«
    »Nicht unbedingt«, widerspricht Mistress Powell.
»Ich glaube, sie wurden von den Moslems mit Waffen versorgt. Als
ich durch die Wälder streifte, sah ich viele Dinge. Einmal
begegnete ich einem Troll…«
    »Was sind schon Trolle?« unterbrach sie Katrina.
»Sie leiden an verwachsenen Gelenken und sind aufgrund ihres
hormonellen Ungleichgewichts dumm wie Bohnenstroh.«
    »Der, den ich meine, war mit einem Granatwerfer bewaffnet,
meine Liebe. Automatik und ein großes Magazin, soviel ich sehen
konnte.«
     
    Sie benötigen zwei Stunden, um den Rest des Weges zu
Fuß zu bewältigen. Mistress Powell kann Katrinas
gleichmäßiges, unerbittliches Tempo leichter mithalten als
Alex. Der überwachsene Weg taucht jäh in ein enges Tal,
führt in einer scharfen Kurve um einen Felsvorsprung, und dann
fällt eine Seite des Tales ins Nichts ab.
    Mistress Powell klatscht mit kindlicher Begeisterung in die
Hände.
    Der verfallene Schrein steht in einer Art Kuhle oder Hain. Was sie
sehen, ist nicht mehr als eine Reihe stark verwitterter
Säulenstümpfe, dazu kniehohe Mauerreste, ohne Mörtel
aus groben Feldsteinen aufgeschichtet und von struppigem Unkraut
überwuchert. Kaninchen haben das Gras zwischen den Ruinen kurz
gehalten, aber der schwarzweiße Marmor-Fußboden, der das
Heiligtum berühmt machte (obwohl sich seit der Jahrhundertwende
keine Touristen mehr in diese Gegend gewagt haben) ist jetzt von
Kriechpflanzen zugedeckt. An einer Seite ragt eine nackte Felswand
auf, an der anderen sinkt ein bewaldeter Steilhang nach unten ab.
    Als die drei die Ruinen betreten, schießt etwas jenseits der
bröckeligen Säulenreihe davon. Alex erhascht einen Blick
auf den weißen Hirsch, der durch einen Sonnenlichtfächer
prescht und im nächsten Moment verschwunden ist. Katrina wirft
ihren Rucksack ab, doch Alex hindert sie daran, ihre Waffe zu
ziehen.
    »Es könnte einer der ihren sein. Denk daran, was mit
Actaeon geschah!«
    »Ich gebe mir alle Mühe, mich nicht mit solchem Schrott
zu belasten«, sagt Katrina. »Außerdem brauchen wir
eine Art Opfer. Dem kleinen Mistkerl hat es richtig Spaß
gemacht, mir genaue Anweisungen zu geben.«
    Mistress Powell sieht sie scharf an, sagt aber nichts.
    »Betrachte es einfach als Zeichen unserer friedlichen
Absichten.« Alex setzt sich auf einen großen Stein.
    Er ist von dem Fußmarsch völlig ausgepumpt.
Schweiß perlt ihm von der Stirn über die Augenbrauen, und
er blinzelt das salzige Naß von den Wimpern. Er spürt eine
wäßrige Schwere in den Knien, und sein Puls pocht hinter
den Augen. Er ist zu alt und zu fett für diese Art von
Abenteuer. Der drahtige, hyperaktive Max sollte hier sein,
während er selbst den Lauf der Ereignisse vom Web aus
überwacht. Nur daß Max nie und nimmer sein Immunsystem
verändern würde. Bei aller gespielten Verachtung für
den Körper, für das Fleisch, das den Geist verankert, sind
Hacker in puncto Genmanipulationen

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