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Feenland

Feenland

Titel: Feenland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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wissen, daß der Mond vor der Sonne
herläuft«, sagt Alex.
    Der Kommandant tut so, als hätte er nicht verstanden. Er
starrt geradeaus, schwitzt in seinen Blouson mit den unzähligen
Taschen und streicht mit einem Finger den Schnurrbart glatt. Die
übrigen fünf Mitglieder des Trupps, alles Männer,
haben weiße T-Shirts und gebügelte Khaki-Hosen an. Sie
könnten ebensogut Uniformen tragen. Alex fragt sich, wann sie
die Waffen ziehen werden.
    Nach einer Stunde taucht eine kleine schwarze Gestalt vor dem
Konvoi auf; ihre Umrisse verschwimmen im Hitzegewaber, das von der
Straße aufsteigt. Als sie näher kommen, erkennt Alex
Mistress Powell, die im Damensattel auf einem dürren Esel
reitet. Sie trägt eine Safari-Jacke und eine derbe Hose und hat
einen Rüschen-Schirm aufgespannt, um sich gegen die brutale
Sonne zu schützen. Sie winkt Alex zu, als die Jeeps an ihr
vorbeirollen, und Katrina wacht auf, während Alex versucht, den
Kommandanten zum Anhalten zu bewegen.
    »Sie kam an mir vorbei, als ich auf euch wartete«, sagt
Katrina. »Sie wirkte glücklich und zufrieden.«
    »Aber die Gegend wimmelt von Banditen. Wir können sie
hier nicht allein umherstreifen lassen.«
    »Wir nehmen nur Sie beide mit«, erklärt der
Kommandant.
    »Auf einen Passagier mehr oder weniger kommt es doch nicht
an«, beharrt Alex, aber der Kommandant zuckt nur die
Achseln.
    Der Konvoi verläßt die Straße und windet sich im
Zickzack steile, überwucherte Almwiesen hinauf, schlägt
einen großen Bogen um die Grenzstadt Kakavia. Die Ruinen der
Ortschaft schimmern knochenweiß auf dem gegenüberliegenden
Hügel. Eine verwunschene Gegend, berichtet der Kommandant.
Werwölfe, Riesen, Fangheuschrecken und sonst noch allerlei
schlimme Geschöpfe. Alex würde gern mehr erfahren – er
ist rein fachlich daran interessiert, wie die Aufständischen und
Feen die Gentechnik und Fembot-Gestaltung für ihre Zwecke
umgesetzt haben – aber der Kommandant spricht nicht gern
über diese Dinge.
    »Sie essen Menschenfleisch«, sagt er und berührt
seine Lippen mit dem Daumenknöchel, eine abergläubische
Geste, die vor Unheil schützen soll. Das bringt Alex auf einen
Gedanken, der Katarina sicher gefallen wird.
    Sie überqueren die Grenze gegen Mittag und kehren in der
Nähe der ausgebrannten albanisch-griechischen Zollstation wieder
auf die Straße zurück. Nach einem halben Kilometer
stoßen sie auf einen Bunker, halb verdeckt von einer
Böschung und überdacht von einem Keramik-Schutzschild, der
an einen Schildkröten-Panzer erinnert. Ein Sendemast mit
mehreren Relais-Schüsseln im Mikrowellenbereich ragt über
die Bäume auf. Ein paar Flüchtlinge kampieren hier, und
nackte Kinder wuseln um die Jeeps, als sie vor den Stahltoren im
Grenzzaun anhalten. Alex kauft einer alten Frau einen
Pappbehälter Cola ab und bemüht sich, nicht auf die
Handvoll Nationalisten zu achten, die aus dem Bunker geschlendert
kommen. Eine Rangordnung läßt sich nicht erkennen. Einer
der Soldaten streift die Passierscheine, die ihm der Kommandant
hinhält, mit einem gelangweilten Blick; ein anderer öffnet
die Tore. Die beiden Jeeps werden durchgewinkt.
    Jenseits der Grenze ist die Straßendecke neu, ein
Kohlefaser-Gitter auf geschmolzenem Felsgestein. Sie dröhnt und
dröhnt unter den breiten Rädern der Jeeps. Die lichten
Eichenwälder sind zu beiden Seiten auf einem Streifen von
hundert Metern niedergebrannt. Die Jeeps gehen auf Abstand, für
den Fall eines Flinterhalts.
    Am Ende einer schmalen Brücke, die sich über eine tiefe
Schlucht spannt, halten die beiden Jeeps neben einer ausgedehnten
Fläche abgestorbener Bäume an, die irgendeiner Nachwirkung
des Klima-Overturns zum Opfer gefallen sind. Um die Jahrhundertwende,
ehe die Wettersysteme zu einem neuen Gleichgewicht kälterer,
feuchterer Winter und wärmerer, trockener Sommer fanden, regnete
es entlang der europäischen Mittelmeerküste drei Jahre lang
praktisch ohne Unterbrechung. Die weißen Skelette der
Bäume, seit langem ihrer Rinde beraubt, ragen aus staubigen
Farninseln.
    Einen Moment lang herrscht nervöse Anspannung, als der
Kommandant seine Pistole zieht. Alex befürchtet, daß
Katrina versuchen könnte, sie dem jungen Mann abzunehmen, aber
sie macht keinerlei Anstalten zur Gegenwehr, als ihr die
Kunststoff-Handschellen angelegt werden. Der Kommandant erklärt,
daß man Alex diese Demütigung ersparen und seine
Begleiterin am Leben lassen wolle, solange sie beide kooperieren. Und
er bestätigt mehr oder

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