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Feenland

Feenland

Titel: Feenland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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überraschend zimperlich.
    »Es gibt viel Wild hier in der Gegend, trotz des
Krieges«, sagt Katrina. »Oder vielleicht gerade deshalb,
weil man jetzt Menschen und nicht Tiere jagt. Es gibt auch
Wildschweine und Gemsen.«
    »Vielleicht hätten wir doch meinen Esel mitnehmen
sollen«, meint Mrs. Powell. »Obwohl ich glaube, daß
der selbst für einen Werwolf zu zäh wäre.«
    »Irgend etwas brauchen wir«, erklärt Alex.
»Und es sollte zumindest größer als ein Kaninchen
sein.«
    »Alles, was du befiehlst, Boss«, sagt Katrina, und damit
stürmt sie den Hang hinunter.
    Mistress Powell nimmt ihren Strohhut ab und tupft sich die Stirn
sorgfältig mit einem weißen Taschentuch ab. »Es freut
mich, daß ich Sie begleiten darf«, meint sie. »Und
ich vermute stark, daß ich auch Ihnen behilflich sein
kann.«
    »Vielleicht«, erwidert Alex knapp.
    »Ich sehe mich hier ein wenig um«, sagt Mistress Powell
und verschwindet mit ihrem Taschenführer zwischen den
unkrautüberwucherten Steinen.
    Alex raucht eine Zigarette, während die alte Frau die
Überreste des Altars und die kleine Quelle, die aus der Klippe
hinter dem Schrein entspringt, in Augenschein nimmt. Er streckt sich
auf dem frischen, sonnenwarmen Gras aus, nickt ein und fährt
erschrocken hoch, als Mistress Powell zurückkommt.
    »In meinem Führer steht, daß dieser Ort einst
Asklepios geweiht war, dem Schutzgott der illyrischen
Küstenstadt Butrini«, berichtet Mistress Powell. »Eine
schöne Stadt, Mister Sharkey. Sie sollten sie einmal
besichtigen. Ich war in Butrini, um gegen die Sklavenarbeit auf den
Docks zu protestieren.«
    Alex zündet sich noch eine Zigarette an und sagt: »Ich
bewundere Sie, Mistress Powell.«
    »Das waren mal intelligente Geschöpfe«, fährt
Mistress Powell fort. »Die Metzger in Butrini verwandeln Feen
zurück in Puppen. Schlimmer als Puppen, denn sie leben nicht
lange und leiden entsetzlich. Was blieb mir anderes übrig, bei
meiner Seele?«
    »Was hat Butrini mit diesem Heiligtum zu tun?« fragt
Alex.
    »Butrini war eine römische Kolonie«, erklärt
Mistress Powell, »und vor etwa zweitausend Jahren befand sich
hier ein Außenposten dieser Kolonie. Die Schwingungen sind
genau die gleichen, wenn Sie verstehen, was ich meine. Schwingungen
bleiben erhalten, wenn man sie nicht stört. Sie sind schwach,
aber unverkennbar.«
    »Noch früher war dieser Ort der Dreifachgöttin
geweiht«, sagt Alex. »Sie werden ganz in der Nähe
einen Hain mit Lorbeer-Bäumen entdecken, der heiligen Pflanze
der Daphne.«
    »Sie zeigen Interesse für die alten Sagen.«
Mistress Powell fuchtelt mit den Händen, um die Mücken zu
verscheuchen, die ihren Kopf umschwirren. »Das tun heutzutage
nur noch wenige.«
    Alex macht es Spaß, mit den Ergebnissen seiner
Nachforschungen zu glänzen. »Ihr richtiger Name war
Daphoene, die Blutige. Die Mänaden, ihre Priesterinnen, kauten
angeblich Lorbeerblätter, um sich in orgiastische Raserei zu
versetzen. In Afrika nannte man sie Ngame, in Libyen Neith. Sie ist
außerdem Hekate und Graves’ Weiße Göttin von
Pelion, Keats’ Belle Dame sans Merci und die
Feenkönigin Mab von Thomas, dem Reimer. Als Apollo ihr
nachstellte, verwandelte sie sich in einen Lorbeerbaum, und er wand
zum Trost aus ihren Blättern einen Kranz. Wir gedenken ihrer
noch heute alle vier Jahre; aber vielleicht vergessen wir, daß
sie nie starb.« Er sieht Mistress Powell an. »Ich hoffe,
wir stoßen schon bald auf jemanden, der ihren Platz
beansprucht.«
    »Ich wußte es!« sagt Mrs. Powell. »Ich
muß schon sagen, Sie enthüllen immer neue Seiten, Mister
Sharkey. Wen möchten Sie hier wirklich treffen? Das haben Sie
mir nie verraten.«
    Alex zuckt die Achseln. »Die Leute, die uns über die
Grenze brachten, wollten unbedingt noch vor Einbruch der Nacht weg
von hier. Die Gegend hier gehört nur tagsüber den
Menschen.«
    »Man hat mich vor den Gefahren gewarnt.« Mistress Powell
nickt. »Mister Avramites ließ durchblicken, daß Ihr
Interesse dem Kinder-Kreuzzug gilt.«
    »Mister Avramites ließ viel zuviel
durchblicken.«
    »Mister Avramites war der Ansicht, man würde den
Kinder-Kreuzzug nicht über die Grenze lassen.«
    »Ganz im Gegenteil. Das ist ja das Problem. Er wird von
Albanien aus in die neutrale Zone vordringen, aber wenn ich recht
vermute, wird er es nicht bis zur griechischen Grenze schaffen. Ich
denke, die Freundin von Glass hat etwas mit diesen Leuten vor, und
ich sehe darin eine Chance, mit ihr in Kontakt zu kommen und

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