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Feenland

Feenland

Titel: Feenland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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Balkon eines
Sozial-Hochhauses stand und die Lichterketten von London beobachtete,
das Kind, das sich durch eine seltsame und kaum merkliche Verwandlung
zu Alex Sharkey entwickelte, wieder durch seine Augen schauen.
    Er hört Lexis ganz deutlich »Feenland!« sagen, als
Hannibal auf eine Lichtung stapft, die sich gleich hinter einer
Biegung des überwachsenen Pfads auftut.
    Alles ist so klar, so hell. Eine Flut großer, verschwommener
Sterne hüllt ihn ein. Die Strahlen des Halbmonds, der dicht
über den Bäumen schwebt, scheinen auf einen schwach
schimmernden Tempel in der Mitte des Wegs gerichtet zu sein. In
diesem reinen Licht erkennt er Scharen von Feen und anderen
Geschöpfen zu Füßen der beiden Gestalten, die auf
zwei hochlehnigen, offenbar aus den Gebeinen ausgestorbener
Vögel errichteter Sesseln thronen.
    Eine Fee läuft ihnen entgegen, wirft einen Silberfaden
über einen von Hannibals Stoßzähne und zerrt ihn
damit vor die beiden thronenden Gestalten.
    »Meine Gebieterinnen«, sagt der Elf hinter Alex mit
seiner dünnen, toten Stimme, »hier ist er
endlich!«
    Dann erschlaffen seine Muskeln endgültig, und er rollt den
beiden Herrscherinnen vor die Füße. Sie heben gleichzeitig
den Kopf und schauen zu Alex auf. Ihre Gesichter sind blaß wie
das Mondlicht. Mit einem Schock erkennt er, daß beide die
Züge von Milena tragen – so wie sie damals war, als er sie
kennenlernte.

 
10    Antoinette
     
     
    Spike findet Todd gegen Morgen schlafend in einem Liegestuhl, am
Rand einer dreieckigen Terrasse, die ins Wasser hinausragt. Der See
verliert sich in der Ferne und verschmilzt mit dem allmählich
heller werdenden Himmel. Ein mit zwei Puppen bemanntes Motorboot
schaukelt ein Stück vom Ufer entfernt auf den sanften
Wellen.
    Als Spike ihn an der Schulter rüttelt, schlägt Todd um
sich und erwacht aus Alpträumen, in denen er durch dunkle
Straßen gehetzt wird. Sein Schädel brummt, und er nickt
dankbar, als Spike ihm ein Bier anbietet.
    »Gegen den Kater«, sagt Spike. »Im übrigen
hast du ein Loch in deinem linken Socken.«
    »Na, so was! Sag Barefoot Joe zu mir!«
    Todd trinkt das Bier in zwei langen Zügen, drückt die
zerknitterte Packung flach und wirft sie in einen Trog mit Geranien,
die bereits in der Morgensonne ihre roten Blüten hängen
lassen.
    »O Mann! Das nächste bitte mit Salz, einem rohen Ei und
einem Schuß Tabasco!« Todd preßt die Handballen
gegen die Augen. »Ich habe diese Flasche Metaxa leergemacht und
vermutlich den Wurm mit verschluckt.«
    »Bier war alles, was ich finden konnte«, sagt Spike. Er
lehnt an einem Eisengeländer und schaut auf den See hinaus.
»Ich habe mich gestern abend mit diesem Web-Cowboy unterhalten,
der behauptet, für Glass zu arbeiten, aber irgendwas an dem
Typen ist verdammt komisch. Ich war doch mal in
Afghanistan…«
    Ralph, der Butler, kommt durch die offene Flügeltür auf
die Terrasse. Er hat seine Butler-Livree mit einer Rauhlederjacke und
Bluejeans vertauscht. Eine große Pistole baumelt von seiner
Hüfte. Er trägt eine Videobrille und einen Ohrstöpsel.
Hinter ihm stehen ein halbes Dutzend Puppen mit plumpen,
kurzläufigen M10-Gewehren.
    Todd sagt: »Spike…«
    »… und da gab es eine ganze Gruppe solcher Web-Freaks,
die versuchten…«
    »Spike, so hör doch! Setz deine…«
    »…die Moskauer Börse lahmzulegen. Die haben ein
Elefantengedächtnis, diese Mudschaheddin.
Jedenfalls…«
    »… verdammte Drohne in Betrieb, okay?«
    »Das ist nicht nötig, meine Herren«, sagt Ralph.
»Hier wird ohnehin alles aufgezeichnet.«
    Er klatscht in die Hände. Puppen tragen einen Tisch auf die
Terrasse. Als nächstes bringen sie Stühle, decken die Tafel
mit schwerem weißem Leinen und arrangieren Silber und Porzellan
zu blitzenden Mustern. Ein Fernsehgerät mit Großbildschirm
wird an das eine Ende des Tisches gerückt. Die Puppen bieten
Obst und Kräutertee an und wirken ratlos, als Todd nach Kaffee
fragt. Gepuderte Perücken umrahmen ihre blauen Gesichter. Sie
tragen weiße Handschuhe, pfirsichfarbene Satinjacken und
Pluderhosen, dazu Schnallenschuhe aus glänzendem Lackleder.
    Sobald Spike und Todd Platz genommen haben, erwacht der TV-Schirm
zum Leben. »Es tut mir leid, daß ich Sie gestern abend
nicht empfangen konnte«, sagt Antoinette. »Aber im Moment
scheinen die Dinge zu eskalieren.«
    Sie steht in einem weißen Zimmer. Hinter ihr strömt
Sonnenlicht durch ein Fenster. Sie trägt ein weißes
Seidengewand, das ihre Füße umwallt. Ein heller

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