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Feenland

Feenland

Titel: Feenland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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Blitz
durchzieht ihr kohlschwarzes, zu einer asymmetrischen
Löckchenfrisur aufgestecktes Haar.
    »Hat das Ganze etwas mit einem Typen namens Frodo McHale zu
tun?« erkundigt sich Todd.
    »He, das ist doch der Cowboy, von dem ich eben sprach«,
wirft Spike ein. »Er…«
    »Halt den Mund, Spike!« zischt Todd.
    »Als ich Glass kennenlernte«, sagt Antoinette,
»wollte er mir durch das Ausrichten einer Art permanenter
Cocktail-Party beweisen, daß er in der Lage sei, das
Fühlen und Denken anderer Menschen zu beeinflussen. Es ist kein
besonders geschmackvoller Scherz, aber da ich ihn tief und innig
liebe, habe ich nicht das Herz, diese Leute wegzuschicken. Sie
schlafen jetzt, wie so viele Vampire. Nachts beginnen sich ihre
Fembot-Persönlichkeiten zu regen, und sie erwachen wieder zu
Leben. Der Ort, den Glass als Experiment schuf, ist zu einem
Mausoleum geworden…«
    »Eine Art virtuelle Realität in Vollendung«,
murmelt Todd.
    Auf dem Bildschirm ist zu sehen, wie Antoinette sich umdreht und
auf das sonnenhelle Fenster zugeht. Eine Brise umweht sie mit langen
weißen Vorhängen. »Glass wollte die
Unsterblichkeit«, sagt sie. »Er hatte damals das dritte
Herz und das zweite Paar Lungenflügel und war seines
Körpers überdrüssig. Er beabsichtigte, als erster
Mensch die Barriere zwischen Gehirn und Maschine zu durchbrechen.
Aber das wissen Sie, Mister Hart. Sie erhielten die Gelegenheit,
diese Dinge herauszufinden.«
    »Echt? Hören Sie, wenn das hier eine Art PR-Show werden
soll, dann finde ich das, offen gestanden, reichlich geschmacklos.
Vielleicht ist es besser…«
    »Setzen Sie sich!« sagt Ralph, der Butler.
    »Wie Sie meinen. Sie haben die Kanone und damit das Sagen.
Sie und diese kleinen blauen Lakaien. Dürfen Puppen
überhaupt Waffen tragen? Soviel ich weiß, gab es da mal
irgendein UN-Abkommen…«
    »Wir befinden uns in der neutralen Zone«, erklärt
Ralph. »Außerdem sind sie keine Puppen im engeren
Sinn.«
    Todd stützt die Ellbogen zwischen Silberbestecken und
schimmerndem Porzellan auf. »Erzählen Sie mir mehr
über dieses tolle Experiment. Wie ging es aus?«
    Das TV-Bild holt Antoinette näher heran. Sie hält Todds
Blicken ruhig stand. Ihre Augen haben die Farbe von gehämmertem
Kupfer.
    »Glass schaffte den Übergang vor sechs Monaten. Seine
Funktionen sind aktiv, aber er spricht nicht. Das wird sich noch
ändern.«
    »Und die Computer befinden sich hier.«
    »Das hier ist sein Forschungsinstitut, das Herz der
Einrichtung, die er als Bibliothek der Träume bezeichnet –
aber Glass selbst ist nicht an diesen Ort gebunden. Er ist
überall und nirgends.«
    »Haben Sie irgendwelche Streng-Geheim-Parolen
ausgegeben?«
    Antoinette schaut ihn verständnislos an.
    »Ich meine – ich erfahre hier nicht sonderlich viel. Bis
jetzt habe ich Sie nicht einmal persönlich
kennengelernt.«
    »Ich glaube, Sie waren bereits in der Bibliothek der
Träume, Mister Hart. Sie haben gestern abend eines der
Computerdecks benutzt. Sie haben nur Zugriff auf die
Bibliothek.«
    »Ich versuchte Kontakt zu meiner Redaktion aufzunehmen. Mein
Boss sucht vermutlich nach mir.«
    »Er weiß doch, daß Sie vor Ort recherchieren. Was
Sie anwählten, war nicht Ihr Netzknoten, sondern eine
Simulation. Die Bibliothek der Träume hat unter anderem eine
Version des Webs in ihr Archiv integriert – für ihre
eigenen Zwecke. Es grenzt an das Web, ist aber topologisch nicht mit
ihm verbunden.«
    »Eine Web-Simulation? Welche Computer-Kapazität besitzt
Glass denn?«
    »Die Bibliothek der Träume ist keine Web-Simulation. Sie
holt sich, was sie braucht, und erzeugt damit die Welt, in der Glass
erwachte. Es ist ein wenig wie ein eigenes kleines
Universum.«
    »Ich sah dort jemanden«, sagt Todd. »Einen Mann in
Flammen. Oder aus Feuer gemacht. War das Glass?«
    »Was Sie sahen, war nicht Glass, sondern ein Geschöpf
des Kinder-Kreuzzugs. Der Gehörnte König – so
würden Sie den flammenden Mann nennen, wenn er in die reale Welt
überwechselt. Sein Nervensystem wurde von Frodo McHale und
dessen Anhängern umgebaut. Man kann sagen, daß er der
erste echte Web-Astronaut ist – oder wäre, wenn er aus der
Bibliothek der Träume fliehen könnte. Sie haben Frodo
McHale gestern kennengelernt. Ich glaube, ihm liegt daran, daß
ich seine Rückkehr zur Kenntnis nehme.«
    »Sie mögen ihn nicht.«
    »Er will mich töten, Mister Hart.«
    »Er hat Söldner angeheuert«, wirft der Butler ein.
»Sie erreichten vor zwei Tagen das andere Ufer

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