Feenland
zu
schockieren.«
»Mistress Powell, ich muß hier weg. Vielleicht ist es
Ihnen noch nicht aufgefallen – aber wir befinden uns mitten im
Lager der Feinde. Eine Befreiungsaktion ergibt nur dann einen Sinn,
wenn Sie wirklich jemanden retten.«
»Die Feinde sind nicht da«, sagt Mistress Powell.
»Bis auf einen einzelnen Wachtposten. Aber ich habe immer noch
meine Bedenken gegen das Töten. Ein Schlag auf den Kopf
würde genügen, aber…«
»Holen Sie mich heraus!«
Mistress Powell deutet mit dem Finger und sagt: »Nur keine
Ungeduld! Hilfe ist unterwegs.«
Alex dreht sich mühsam um und streift mit einem Stiefelabsatz
seine Exkremente. Im letzten Tageslicht sieht er eine kleine Gestalt
den Pfosten ausbuddeln, an dem das Zwerg-Mammut angepflockt ist. Es
ist Ray. Der Anblick läßt Alexs Herz höher schlagen.
»Wo ist eigentlich Kat?« will er von Mistress Powell
wissen.
»Unterwegs zu einem Treffen. Das zumindest habe ich von Ray
erfahren. Sie selbst weigert sich, auch nur ein Wort mit mir zu
wechseln. Ein unmögliches Benehmen, wenn Sie mir diese Bemerkung
gestatten.«
»So ist sie nun mal.«
Ray klettert auf den Rücken von Hannibal, beugt sich vor und
wispert ihm etwas ins Ohr. Das kleine Mammut stapft über die
Lichtung und schiebt seinen Rüssel vorsichtig durch das Geflecht
des Käfigs. Dann stemmt es die Beine in den Boden und legt den
Kopf nach hinten. Mit einem Knirschen löst sich der
Käfigrand. Erde und Staub hüllen Alex ein.
Ray springt in die Tiefe und will Alex eben durch die Öffnung
zerren, als rund um die Lichtung Biolum-Lampen aufflammen. Hunderte
von Feen säumen das Lager. Der grünliche Schein der
Lichterkette verleiht ihrer blauen Haut ein fahles Aussehen. Hinter
der Absperrung wird eine gespenstische Gestalt sichtbar, dreimal so
groß wie normale Feen und mit mächtigen
Stoßzähnen bewehrt. Hannibal tritt ängstlich von
einem Fuß auf den anderen.
»Ach, du meine Güte!« murmelt Mistress Powell.
Alex blinzelt in das gleißende Grün und wirft Ray einen
fragenden Blick zu.
Der Elf zeigt die spitzen Zähne. »Nicht die unseren,
dicker Mensch!«
»Ich gehe davon aus, daß es wenig Sinn hat, wenn wir
uns den Weg freikämpfen«, zischelt Mistress Powell.
»Ist sie verrückt?« fragt Ray.
»Was denkst du, Ray?«
»Ich denke, ich hätte nicht versuchen sollen, dir zu
helfen.«
Mistress Powell wendet sich an Alex: »Ehrlich, Mister
Sharkey, wie schlimm ist unsere Lage?«
»Ich wollte, ich könnte Ihnen diese Frage beantworten,
Mistress Powell.«
Alex erkennt zu seinem großen Kummer, daß man ihn als
Köder verwendet hat. Solange Katrina frei ist, besteht zwar noch
die schwache Hoffnung, daß sich der Kinder-Kreuzzug zur Umkehr
bewegen läßt, aber ohne die Bibliothek in seinen Knochen
und ohne die Verbindung zu Max ist das nicht mehr als ein Strohhalm,
an den er sich klammert.
Die Feen bilden eine Gasse, und drei menschliche Gestalten treten
in den Lichtkreis. Es sind die Zwillinge und Frodo McHale, der
Web-Cowboy. Ihnen folgt der gehörnte König. Die
Kohlefaser-Antennen stehen wie eine Dornenkrone von seinem Kopf ab.
Eine Speichelspur läuft ihm über das Kinn.
»Ach, du meine Güte!« sagt Mistress Powell noch
einmal.
Über ihren Köpfen, irgendwo in der Nacht jenseits der
Lichter, kommt das Knattern eines Helikopters näher.
14 In einem anderen Teil des
Waldes
Das enge kleine Tal mit den hohen Steilwänden, in dem die
Feen Hauptmann Spiromilos und seinen Söldnern auflauern, ist
übersät von Rosen. Tausende weißer Blüten
schimmern in den Dornenhecken, die zu beiden Seiten des Weges dichte
Wälle zwischen den Pinien bilden. Die warme Nachtluft verbreitet
einen betörenden Duft.
Seit Einbruch der Dunkelheit bewegen sich flackernde Lichter in
der Tiefe der Wälder, die dem Konvoi folgen und gelegentlich
über eine längere Strecke begleiten. Als einige der
Söldner damit begannen, wahllos Schüsse ins Dunkel
abzufeuern, gab Hauptmann Spiromilos die Parole aus, Munition zu
sparen; seiner Ansicht nach gehören die Lichter zur
Ablenkungstaktik des Feindes. Aber plötzlich, als der Konvoi
sich anschickt, die Steigung zu erklimmen, die aus dem
rosenerfüllten Tal herausführt, blockiert eine Lichterkette
den welligen Hügelkamm.
In dem Jeep, der die Nachhut der Kolonne bildet, späht Todd
durch ein geliehenes Nachtglas und sieht, daß die Lichter von
einer wuselnden Schar kindhafter Geschöpfe gehalten werden. Alle
sind irgendwie mißgestaltet. Manche
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