Feenland
Nichts bedrängt Alex. Er könnte
natürlich die VR-Brille abnehmen, aber statt dessen tut er einen
Schritt nach vorn und steht plötzlich im Homeroom von Max, der
sich umdreht und ihm einen verblüfften Blick zuwirft.
»He, was, zum Henker, soll das denn? Ich dachte, ich sei der
einzige, der diese Hintertür kennt.«
»Ich hatte Hilfe.«
»Da besteht nicht zufällig ein Zusammenhang mit den
Codes, die eben in meinem Zwischenspeicher auftauchten, oder? So
verrückt es klingt – ich habe soeben den Zugang zu unserem
flammenden Mann gefunden!«
Max hebt den Arm und pflückt ein Datenfenster aus der
Luft.
»Benutze es lieber nicht«, warnt Alex. »Es ist von
ihr. Von Milena.«
»Er muß ausgeschaltet werden.«
»Ja, aber erst später. Sie hat den ultimativen Hack
geschafft. Sie und Glass. Sie will die Tür in die virtuelle Welt
für immer verrammeln, und der flammende Mann ist ein
Schlüssel zu dieser Tür. Er kann uns den Zugang zum
Kreuzzug verschaffen.«
Max starrt in die ockerfarbenen Jupiter-Wolkenbänke. Der
Schimmer der dichten Code-Linien, die im Datenfenster aufleuchten,
legt sich wie Messing-Feilspäne auf sein wolliges Haar. Nach
einer Weile sagt er: »Entweder das Web oder sie. Es tauchen
immer mehr Hacker und Schnüffler an der Hintertür zur
Bibliothek der Träume auf. Ich habe einen Löschbefehl auf
den Weg gebracht, aber irgendwelche Arschlöcher geben die
Adresse schneller durch, als das Programm arbeitet – und gegen
mündliche Verbreitung kann ich ohnehin nichts tun. Wir
müssen die Tür schließen, Alex, bevor jemand
es schafft, sie permanent offen zu halten.«
»Du mußt mir in diesem Punkt vertrauen, Max. Wir
brauchen den flammenden Mann, um den Kreuzzug aufzuhalten.«
»Was weißt du?« fragt Max, und seine Stimme klingt
plötzlich aggressiv. »Sag mir, was du
weißt!«
»Ich wurde von Feen gefangengenommen, Max. Von den gleichen,
die im Magic Kingdom ihr Unwesen trieben. Sie haben sich offenbar mit
ein paar Hackern von Glass verbündet…«
»Ja, ich weiß. Paß auf, ich hatte dir doch
versprochen, mehr über diese Söldner
herauszufinden…« Max öffnet ein weiteres Datenfenster.
»Sie werden von einem gewissen Hauptmann Spiromilos
angeführt. War früher mal bei den US-Marines und hält
sich für den Archigos von Himara, was, zum Henker, das immer
sein mag. Früher arbeitete er im Auftrag der Peeper –
machte vor allem in der Slowakei Jagd auf wilde Elfen. Von dort her
stammen die meisten meiner Informationen.«
»Kannst du sie mir übermitteln? Ich meine – jetzt
gleich?«
»Schon geschehen. Weshalb sitzt du übrigens in einem
Helikopter?«
»Das ist eine lange Geschichte. Das Wesentliche ist,
daß Milena uns dazu bringen will, den flammenden Mann gegen den
Vormarsch der Kreuzfahrer einzusetzen. Sie behauptet, das sei die
einzige Möglichkeit, sie aufzuhalten, und allmählich glaube
ich ihr. Also können wir ihn nicht unschädlich machen
– oder zumindest nicht sofort. Erst wenn der Zug zum Stillstand
kommt, können wir versuchen, seine Anhänger zu kurieren.
Und wir müssen sie kurieren, bevor sie die Söldner und
Frodo McHales Hacker erreichen.«
»Weißt du, daß ich ihn auf der Stelle vernichten
könnte?« sagt Max, und Alex spürt eine Erleichterung,
die sich in ihm ausbreitet wie ein Schluck kalten klaren Wassers
– denn Max hat ihm eben zu verstehen gegeben, daß er es
nicht tun wird. Noch nicht.
»Gib mir noch etwas Zeit – mehr verlange ich
nicht.«
»Ich möchte wetten, daß sie Schach spielt. Das
hier ist der klassische Angriff mit zwei Springern. Wir müssen
ein Opfer bringen, weil wir nicht die Zeit haben, Milena zu verfolgen und den Kreuzzug zu stoppen. Und da der Kreuzzug erst mal zum
Stillstand kommen muß, ehe wir damit beginnen können,
seine Anhänger zu kurieren, stehen wir vor der Entscheidung, den
flammenden Mann zu vernichten oder mit seiner Hilfe zu Milena zu
gelangen – auch auf die Gefahr hin, daß sich Kopien im Web
verbreiten. Viel Zeit steht dir nicht zur Verfügung. Der
Kreuzzug hat fast die Grenze erreicht. Die Nachrichtenkanäle
sind voll davon.«
Im Datenfenster erscheint eine flackernde Serie von Luftaufnahmen.
Sie zeigen eine lange Prozession von Menschen, die einen Waldweg
entlang marschiert.
»Die UN läßt sie durch«, sagt Max. »Sie
werden morgen die Grenze passieren. Wenn das geschieht, schnappe ich
mir unseren Dauerbrenner.«
»Es sind über tausend Kreuzfahrer. Wir können sie
nicht dem Tod ausliefern, Max. Wir
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