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Feenland

Feenland

Titel: Feenland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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der Hitze und der Feuchtigkeit und dem Gestank
die lange Strecke bis hinauf zur Charing Cross Road und dann wieder
zurück, vorbei an den Secondhand-Buchläden, die ihre Ware
in Kisten und auf Holzgestellen anbieten, vorbei am Cambridge Circus
Theatre mit seinen heruntergelassenen Rolläden, vorbei an den
Reihen brettervernagelter oder ausgebrannter Läden, wo die
Obdachlosen und Zwangsgeräumten zwischen Decken und
Einkaufswagen mit ihrer in zerfetzten schwarzen Plastiksäcken
verstauten Habe hausen.
    Jemand durchsucht die Taschen eines toten Kindes, das mit dem
Gesicht nach unten im Rinnstein liegt. Eine Blutpfütze hat sich
unter seinem Kopf gesammelt – irgendein Straßenkid,
erschossen von der Bürgerwehr oder anderen Straßenkids.
Der Mann behandelt den kleinen Leichnam mit einer sonderbaren
Zartheit, als er ihn zur Seite rollt, um die Taschen zu filzen. Drei
Penner haben eine Art Lager im verrammelten Eingangsbereich eines
ehemaligen Ladens aufgeschlagen. Sie kauern in seinem mageren
Schatten und beobachten die Passanten. Einer zeigt Alex den
Stinkefinger, als sich ihre Blicke treffen. Ein anderer hustet
keuchend in einen Fetzen Papier – virale TB.
    In einem anderen zerstörten Laden hat jemand eine Kneipe
aufgemacht. Aus dem Radio dröhnt der neueste Bejing-Pop. Alex
kauft dem schmächtigen, nervösen Jungen, der an einem
Ecktisch dealt, zwei Tabletten Cool-Z ab. Die Tabletten sind einzeln
verpackt, in kleine Fetzen schmieriger Haftfolie. Alex schluckt sie
beide ohne Flüssigkeit, schlendert weiter und wartet auf den
Kick. Er braucht etwas, um seinen Kopf klar zu bekommen.
    Er erinnert sich an Doggy Dog und das kleine Mädchen und
erinnert sich, daß er nach ihrem Verschwinden aufstand, ein
wenig schwindlig von der feuchten Hitze. Mit der Erinnerung an den
Schwindel taucht das Bild eines Zimmers auf, ein Zimmer ganz in
Weiß, Spielsachen, die immerzu im Kreis marschieren, und
mittendrin eine Frau. Jemand hatte etwas gesagt. Einen Namen.
    Er spricht den Namen laut aus, läßt die Silben auf der
Zunge zergehen: »Nanny Greystoke!«
    Niemand achtet darauf, nicht hier, wo im Umkreis von zwanzig
Metern drei Marktschreier ihre Ware anpreisen, eine alte Frau ihre
Faust gegen den lärmenden Verkehr schüttelt und ein Mann an
einen Laternenmast pinkelt, wobei er unentwegt vor sich hin murmelt
und sein Kopf so heftig zittert, daß die verfilzten
Haarsträhnen vor seinen leeren Augen hin und her pendeln. Sein
Gehirn ist vermutlich ein Schwamm, zerfressen von den letzten Stadien
der Creutzfeldt-Jakob.
    Eine elegante Frau, in einen sündteuren Body-Schleier
gehüllt, schiebt sich mit herablassender Gleichgültigkeit
durch die Armut, gefolgt von einer angeleinten blauhäutigen
Puppe und einem bewaffneten Bodyguard. Die Puppe trägt Pumphosen
aus roter Seide und Goldpantoffeln mit hochgebogenen Spitzen wie aus
Tausendundeiner Nacht. Durch ihre flachen schwarzen Brustwarzen sind
Ringe gezogen. Während sie hinter ihrer Herrin hertrottet,
wandern ihre Blicke hierhin und dorthin. Sie hat braune, traurige
Menschenaugen.
    Ich bin nicht verrückt, denkt Alex. Verwirrt vielleicht, aber
nicht verrückt. Er ist sich dessen sicher, denn er kennt den
Wahnsinn von innen, den heiteren Temporausch und den gegen jede
Gefahr gefeiten Vorwärtsschwung des Wahnsinns. Irgend etwas ist
mit ihm geschehen, und er weiß nicht, was. Er war weg, und
jetzt ist er wieder da.
    Vielleicht hat man ihn mit einem dieser verbrecherischen
Stämme von Buckminster-Fullerenen [ii] infiziert, winzigen Roboter-Molekülen, die als Fembots
bezeichnet werden und als Transportvehikel von Seltenerdmetallen
dienen. Die wahre Nanotechnik, obwohl sie nicht so genannt werden
darf, weil ein paar amerikanische Firmen, die plumpe, zehnmal
größere mechanische Arbeitstiere herstellen, ein Patent
auf diesen Begriff besitzen. Es gibt Fembots, die falsche
Erinnerungen auslösen können. Vielleicht ist dieses vage
Bild von dem weißen Zimmer und dem Spielzeug, das im Kreis um
die Frau marschiert, eine falsche Erinnerung, erzeugt von
RNS-Paketen, die in ganz bestimmte Cortikal-Neuronen eingeschleust
wurden. Oder vielleicht ist es Teil eines Flashbacks, ausgelöst
durch eine Droge, mit der er sich kontaminiert hat, als er noch
für den Zauberer arbeitete – aber diesen Gedanken verwirft
Alex, weil er weiß, daß er viel zu gut in seinem Job ist,
um sich auf diese Weise kaputtzumachen. Der Zauberer hat ihn
gründlich ausgebildet. Von einigen Substanzen, die er
zusammengebraut

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