Feenland
während sie sein
Telefon benutzt, schaut er kurz bei Malik Ali vorbei und sagt ihm,
daß alles okay ist.
Alice macht eine Kanne Tee, und sie trinken ihn Seite an Seite auf
dem Bett, genauso als hätten sie Sex gehabt. Alex preßt
eine Plastiktüte mit zerstoßenem Eis an die wunde
Unterlippe, die er jedesmal entfernt, wenn er einen Schluck von dem
süßen Milchtee trinkt. Alice will wissen, in welchem
Schlamassel er steckt, und Alex erzählt ihr einen Teil der
Story, verschweigt aber, daß der kleine Schwule und der Fahrer
in Billy Rocks Diensten ihren Boss austricksen wollen, und
erwähnt erst recht nichts von den Leuten im Hintergrund. Alex
glaubt zu wissen, mit wem sich die beiden eingelassen haben. Doggy
Dog und Delbert sind einfach nicht helle genug, um so einen Coup
allein zu planen.
Alice zupft den Kleber weg, den das Isolierband an ihren
Handgelenken hinterlassen hat. »Für so ’ne Geschichte
könntest du glatt die Filmrechte verkaufen«, sagt sie.
»Wenn du mittendrin steckst, kommt es dir weniger aufregend
vor.«
Alice wirft ihm einen Blick unter halb gesenkten Wimpern zu.
»Dann hast du immer noch keine Lust auf ’n Fick? Hey, Mann,
törnt dich das nicht ein bißchen an?«
»Herrgott, ich seh immer nur die Pistole, die auf mich
gerichtet war!«
Alice wird plötzlich wütend. »Echt, yeah? Dann
hör mir mal gut zu! Ich mußte es tun, mit einem
Ballermann an der Schläfe! Mehr als einmal! Das hier war doch
gar nichts! Und dieser kleine Gangsta ist eine Null! Du hast nie auf
der Straße gelebt, du hast keine Ahnung! Billy Rock
würde nie zulassen, daß dich jemand ernsthaft verletzt.
Der braucht dich dringend, und deshalb stehst du unter seinem
Schutz.«
»Hier ging es nicht um Schutz!« widerspricht Alex.
»Vergiß es!« sagt Alice. Ihre Wut flaut so
unvermittelt ab, wie sie gekommen ist. »Hör nicht auf mich,
Baby«, fügt sie hinzu. »Vielleicht bin ich nur ein
wenig durcheinander.«
»Ist schon vorbei«, meint Alex, aber es ist nicht
vorbei, nicht wirklich. Der Schein eines trauten Zusammenseins
läßt sich nicht mehr aufrechterhalten. Er bezahlt sie, und
sie verspricht, Ma Nakome nichts zu erzählen. Dann
verläßt sie ihn.
9 Künstliches Leben
Alex merkt, daß er nicht stillsitzen kann. Er tigert durch
die große Werkstatt und bearbeitet unvermittelt die
Kühlschrank-Reihe mit den Stahlkappen seiner
Bauarbeiter-Stiefel, mit einem heißen Zorn, der aufflammt und
gleich wieder verraucht. Er hat eine Menge Arbeit vor sich. Arbeit
ist die Universallösung für Sorgen.
Er kontrolliert die Sequenzen der punktmutierten Gene und stellt
dann den PCR-Blockinkubator ein. Bis morgen werden die
Polymerase-Kettenreaktionen, in Gang gehalten von
temperaturempfindlichen und in einem steten Kreislauf
DNS-reproduzierenden Enzymen, Millionen Kopien von DNS-Strängen
mit dem Code jener Enzymfolge hergestellt haben, die in der Lage
sind, die Hormone zusammenzubauen. Er wird genug Kopien für ein
erfolgreiches Einschleusen in ein Plasmid besitzen und dieses
wiederum in Zellen des Bacillus subtilis einschleusen. Sind
die Bakterien erst einmal mit einem aktiven Gen ausgestattet,
verwandeln sie sich in chemische Fabriken, die das gewünschte
Produkt herstellen. Das spezielle Plasmid, das Alex verwenden will,
wird das Protein-Fließband der Bakterien zum Stillstand
bringen, sobald Tryptophan in die Kultur eingeleitet wird. Anstatt
Hunderte von verschiedenen Proteinen zu erzeugen, wie sie für
die Produktion neuer Bakterien nötig sind, werden die Bakterien
nur die Enzyme fabrizieren, welche die wenigen differenzierten
Sexhormone der Puppen herstellen. Zwei Tage höchstens – und
es ist geschafft.
Alex öffnet eine der malaysischen Armee-Rationen –
Bananen-Curry, pfui Teufel! – und erwärmt sie in der
Mikrowelle. Während er Reis und eine süßsaure
Soße mit Bananen-Aroma in sich hineinlöffelt, denkt er an
das Datenpaket, das ihm die Kleine per Internet in seinen
Zwischenspeicher geladen hat. Wenn es ihm gelingt, den Code zu
knacken, wird sie wieder Kontakt mit ihm aufnehmen.
Es ist ein Risiko, aber er nimmt einen tiefen Schluck Pisant und
macht sich an die Arbeit. Schließlich kann er kaum vor ihrer
Haustür aufkreuzen und klingeln – nicht nach seinem
jüngsten Erlebnis.
Genau genommen ist der Code des Programms eine Beleidigung
für jeden Hacker. Nachdem er die Datei ausgepackt hat,
läßt er einen Debugger über die dichtgedrängten
Code-Zeilen, die eindeutig die schrittweise
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