Feenland
noch
spezifischer angreifen. Ich habe die erste Spielart entworfen. Sie
gibt dir eine Vision der Madonna – nicht des Popstars, sondern
der Mutter Gottes. Die Hacker stürzten sich darauf, sobald ich
sie losließ. Inzwischen sind, soviel ich weiß,
achtundfünfzig Varianten auf dem Markt – alle innerhalb
eines Jahres entwickelt. Manche zaubern dir ein Bild von Elvis
Presley oder Prinzessin Di, andere zeigen dir Gottvater auf seinem
Wolkenthron oder eine Schar KGM.«
»KGM?«
Alex denkt an das weiße Zimmer – sie hat ihn infiziert,
ganz klar. Er spürt ein leises Kribbeln unter der
Schädeldecke.
»Kleine Grüne Männchen«, erklärt Milena
bereitwillig. »Du weißt schon – so etwas wie UFOs.
Echte Hirngespinste. Da gibt es eine Variante, genannt Streiber, die
vermittelt dir ein komplettes Erlebnis der Dritten Art –
Entführung durch Aliens mitsamt verschwommenen Erinnerungen an
eine Vergewaltigung. Es ist schon verblüffend, was du alles in
ein paar supraleitende Buckyballs mit eingebauten Metalloxiden packen
kannst.«
»Klaata barada nikto«, sagt Alex und wundert sich
nicht, daß sie ihn verständnislos ansieht. Sie ist
vermutlich der todernste Typ, der Bachs Wohltemperiertes Klavier hört – wenn sie überhaupt etwas hört –
und noch kein einziges Mal im Leben im. Kino war. »Aber sie
richten keinen permanenten Schaden an, oder?« fragt er.
»Noch nicht. Ich habe einen Freßzellen-Stamm
entwickelt, der sämtliche Fembots vernichtet, nicht nur die in
deinem Blut, sondern auch solche, die es auf deine Neuronen oder ihre
Synapsen-Knoten abgesehen haben. Die Gesellschaft war begeistert von
dem Universal-Impfstoff. Ich muß ihnen ab und zu einen Knochen
vorwerfen, damit ich wieder in Ruhe meiner eigentlichen Arbeit
nachgehen kann. Verstehst du, wovon ich spreche?«
»Ich weiß einiges über die Fembots. Aber irgendwie
empfinde ich das Ganze als… Betrug. Und primitiv.«
Das kleine Mädchen lacht. »Du bist so altmodisch. Oh,
ich mache mich nicht über dich lustig. Ich finde es echt
Klasse.«
Alex bleibt hartnäckig. »Aber du brauchst mich«,
sagt er.
»Eines Tages werde ich Fembots entwerfen, die alles selbst
bewerkstelligen – Assembler, die in Leberzellen Fabriken
errichten und Geschlechtsreife-Hormone herstellen, dazu die
Effektor-Fembots, die man benötigt, um die neuronale
Bindefähigkeit zu verstärken. Aber im Moment müssen
die Veränderungen, die von Fembots hervorgerufen werden, noch
chemisch gestützt werden.«
»Du könntest die DNS zur Herstellung der Hormone doch
einfach mittels Gentherapie einsetzen.«
Das kleine Mädchen Milena wird mit einem Mal sehr ernst.
»Gentherapie gehört mit dazu, aber sie ist langsam, und
wenn die Umbildung von Dauer sein soll, hat sie den Umfang und die
katastrophalen Auswirkungen einer Phasenveränderung. Es ist
nicht einfach, Alex. Die Leute, die diese Puppen herstellen, haben
alles Erdenkliche getan, um ihr Design gegen Eingriffe zu
schützen. Allerdings machten sie einen grundlegenden Fehler: Sie
erzielen die Geschlechtslosigkeit der Puppen durch Punkt-Tilgung. Das
Zuchtmaterial, aus dem sie die Gameten gewinnen, besteht schlicht und
einfach aus den Basismodellen. Was den geschlechtslosen Puppen
entnommen wurde, kann wieder eingesetzt werden. Außerdem ist da
noch das Problem der Geschlechtsumwandlung. Wußtest du,
daß die meisten der verkauften Puppen in ihrer Grundanlage
männlich sind? Ich hatte Glück, daß ich
überhaupt ein paar weibliche Exemplare fand, aber genau genommen
ist das eine nebensächliche Erwägung.«
Alex beugt sich über den Tisch. »Es geht doch nicht
darum, Puppen als Sexspielzeug in Umlauf zu bringen, oder?«
»Natürlich geht es auch darum, aber das ist der einfache Teil. Ich möchte dir etwas zeigen. Es ist super.
Du wirst übrigens die Rechnung bezahlen müssen. Ich bin
noch zu jung für eine Kreditkarte, und so spät abends trage
ich nicht gern Bargeld mit mir herum.«
Milena führt Alex durch die aggressive Neonwelt des
nächtlichen Soho zu einem Laden, in dem Comics aller Art
verkauft werden. Der gelangweilte, ältliche Skinhead an der
Kasse winkt sie durch einen Vorhang aus Plastikstreifen, und Alex
folgt Milena eine kahle Stiege hinauf, die von einer nackten
Leuchtstoffröhre erhellt wird.
»Solche Häuser gibt es überall in Soho«, sagt
Milena. »Aber Dr. Luthers Räumlichkeiten sind etwas
Besonderes. Er hat sich spezialisiert.«
Sie gehen durch einen langgestreckten Korridor mit rissigem
Linoleumbelag,
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