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Feenland

Feenland

Titel: Feenland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul J. McAuley
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ins Herz Europas vordringen. Sie sind
zahlenmäßig kaum zu erfassen, aber die an Schätz- und
Rückführungsaktionen beteiligten UNO-Hilfstruppen gehen
davon aus, daß sich die Bevölkerung Europas durch das Heer
der Vertriebenen und Flüchtlinge mittlerweile verdoppelt hat.
Manchmal, insbesondere im Sommer, scheint ganz Europa in Bewegung
– eine Riesin, die im Halbschlaf um sich schlägt und dabei
die Karten verschiebt und zerreißt, die sie bedecken.
    Nach fünf Jahren Wanderschaft bleibt Alex eine Weile in der
Café- und Bierkneipen-Kultur der Prager Demimonde hängen,
wo zwei Generationen Exil-Amerikaner eine lockere
Boheme-Atmosphäre geschaffen haben. Es gibt hier Feen – es
gibt jetzt überall Feen, wenn man den richtigen Blick für
ihre flüchtigen Spuren hat – aber sie sind launisch, wild
und schwer zu fassen, und die Menschen, die sie erschaffen haben oder
mit ihnen zusammenarbeiten, befinden sich immer noch weit in der
Überzahl.
    Alex tut sich mit einer Punklady zusammen, die sich Darlajane B.
nennt. Unter diesem Namen stand sie in den Achtzigerjahren des
letzten Jahrhunderts auf der Bühne, als Leadsängerin der
Thalodomide Babies, einer ostdeutschen Thrash-Metal-Gruppe. Nachdem
sie vier Jahre lang mehr oder weniger legal in den Clubs von
Ostberlin aufgetreten waren, brachte die Stasi die Hälfte der
Band hinter Gitter. Ein Jahr später kamen sie frei, gerade
rechtzeitig, um den Fall der Berliner Mauer mitzufeiern. Darlajane B.
hat ein verschwommenes Video, wie sie, von Scheinwerfern angestrahlt
und von Wasserwerfern durchweicht, in T-Shirt und Lycra-Rad-lerhosen
auf der Mauer tanzt.
    Ein Jahr lang machte Darlajane B. das Geschäft ihres Lebens,
als sie an leichtgläubige Amerikaner und japanische Händler
Teile der Mauer verhökerte – »Mit dem Zeug, das wir
verkauften, hätte man eine Mauer von Stockholm bis Peking bauen
können!« – zusammen mit Stasi-Folterwerkzeug,
russischen Uniformen, Rangabzeichen und sogar Waffen. Dieses
Geschäft gab sie auf, als jemand auf einer Brücke in St.
Petersburg mit einem Schnellfeuergewehr auf sie schoß –
Minuten nach Verlassen eines Hotelzimmers, in dem einige Ukrainer ihr
zwei Kilogramm waffenfähiges Plutonium angeboten hatten.
    Mit einem feinen Gespür für den Zeitgeist der
Jahrtausendwende war Darlajane B. kurz nach der Teilung der
Tschechoslowakei nach Prag gezogen. Sie errichtete und betrieb den
ersten Münz-Waschsalon in der Hauptstadt und verlor den Profit
aus diesem Unternehmen bei dem mißglückten Versuch,
tschechisches Bier zu exportieren, begann wieder ganz von vorne als
Bardame in einem Folk-Rock-Café und ist heute Mitbesitzerin
des In-Clubs Zone Zone, tief im Labyrinth der Gassen und
Schlupfwinkel des Stare Mesto.
    Außerdem entwickelt sie Chips, die Puppen in Feen verwandeln
können.
    Seit einem halben Jahr lang lebt Alex in zwei Zimmern über
der Arena des Zone Zone. Notgedrungen schläft er tagsüber,
aber das stört ihn nicht weiter. Er hat seinen Spaß, und
er hofft, daß die Anziehungskraft, die Milenas Glanz auf ihn
ausübt, allmählich nachläßt. Er entwirft
psychoaktive Viren für die Clubbesucher und braut
puppenspezifische Thyrotropin-Hormone für ein paar Leute von der
Befreiungsfront, aber er erfährt weder schnell genug, wer
Darlajane B.s Verbündete sind, noch entdeckt er rechtzeitig, wie
sie zu ihren Fertigkeiten kommt und woher die Fembot-Schablonen
stammen.
    »Diese Dinge mußt du nicht wissen«, erklärt
Darlajane B., als er sie endlich danach fragt.
    Aber Alex bohrt beharrlich weiter. Schließlich gibt ihm
Darlajane B. zu verstehen, daß sie Kontakte zu einer Zelle
radikaler Moslems unterhält, die für die Sabotage von
Unternehmen der Puppenbranche in ganz Osteuropa verantwortlich sind,
einschließlich des Brandbombenanschlags auf eine
Brutstätte in Budapest, bei dem neben Tausenden von neu- und
ungeborenen Puppen auch der Produktionsleiter und vier Techniker ums
Leben kamen. Diese Verbindung bereitet Alex mehr als Unbehagen. Es
gibt Dutzende von Vereinigungen, die sich der Befreiung der Puppen
verschrieben haben, von politischen Interessengruppen bis hin zu
Untergrund-Organisationen, die sich Morlocks Töchter oder Blue
Star Liner nennen, wenn sie nicht völlig namenlos sind. Aber den
Moslems ist nicht daran gelegen, Puppen zu befreien und sie in Feen
zu verwandeln; sie wollen diese blauhäutigen Teufel ein für
allemal auslöschen.
    Darlajane B. kann seine Besorgnis nicht teilen. Sie beharrt
darauf, mit

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