Feenring (German Edition)
feierlichen Ort unheilvoll und ohne das Zirpen der Grillen viel zu still.
Wir traten auf eine Lichtung unter einer hohen Roteiche. Da sah ich Xerxadrea über uns hinwegsausen. Wir liefen über den Steinpfad und blieben vor dem Rosengarten stehen. Auch die Rosen, die im Sommer über die Bögen wuchsen, waren für den Winter beschnitten. Auf dem Hauptbeet lagen traurig verwelkte, tiefrote und orangefarbene Chrysanthemen, der Springbrunnen war abgestellt und versiegt.
Ich wusste, wie schön dieser Ort sein konnte. So verwaist, wie er jetzt war, und in Anbetracht unserer traurigen Pflicht konnte ich die Tränen kaum zurückhalten.
Xerxadrea stand vor einer der Steinbänke. Sie trug weiße Gewänder, und das in der Mitte gescheitelte Haar fiel ihr lose über die Schultern. Luftströmungen hoben einzelne, weiße Strähnen und ließen ihre bezaubernde Erscheinung noch rätselhafter erscheinen.
In einer Hand hielt sie ihren Hexenbesen, mit der anderen streifte sie gerade die schwarze Umhängetasche aus Samt von der Schulter. Als sie sich setzte, landete Ruya dort, wo die Schlaufen der Tasche in ihre Schulter geschnitten hatten. »Wasser ist das Element des Westens, und dies hier ist die westliche Bank«, sagte sie. »Im Sommer kann man von hier den Springbrunnen sehen, sitzt aber im Schatten der Rosen.«
»Perfekt.« Menessos trat an der Steinbank neben sie. Dann versorgte sie ihn mit Gegenständen aus der Samtasche, mit deren Hilfe er die Bank in einen Altar verwandelte. Währenddessen beobachtete ich ihn. Er trug den üblichen eleganten Anzug, dennoch wirkte er neben Xerxadreas Festgewändern fast unpassend.
Er entzündete zwei Illuminatorkerzen, legte dazwischen einen getrockneten Seestern und umringte das Ganze mit acht weißen Kerzen, die wiederum ein Ring aus Aquamarinen und winzigen Muschelschalen umgab. Darauf gab Xerxadrea mir die Samttasche. Mir fiel ein, Xerxadreas Beispiel zu folgen und mir die Schlaufen über den Kopf und einen Arm zu streifen. Höchstwahrscheinlich hatte sie nicht daran gedacht, es einfach selbst so zu machen.
Menessos zog sein Sakko aus und gab es mir. Ich stopfte es schnell in die Tasche. Das Kerzenlicht zauberte ein raffiniertes weißes Muster auf sein weißes Oberhemd. Er und Xerxadrea wirkten nun schon besser aufeinander abgestimmt, um gemeinsam ein Bestattungsritual durchzuführen.
Auf Menessos’ Zeichen trat Goliath vor und hielt ihm das Bündel hin. Menessos schloss den eingewickelten Leichnam in die Arme, wiegte ihn und chantete:
In dieser Welt, fern von zu Haus,
Ging dein kostbar’ Leben aus.
Dein Leib soll ruh’n in dieser Erde,
Auf dass fortan gepflegt er werde.
Dann hob Menessos Aquula in die Höhe und fuhr fort:
Dein Geist in kühle Wasser geh’,
Geborgen sei er unter der See.
Bei den Töchtern aller Meere,
Ein Wiedersehen uns möglich wäre.
Seine Aura pulsierte und gab überschüssige Energie ab. Sofort geriet die fruchtbare, dunkle Erde hinter der Bank in Bewegung und öffnete sich an den Wurzeln eines Rosenstrauchs, um aufzunehmen, was Menessos ihr dargeboten hatte. Die Wurzeln streckten und wiegten sich in einer Weise in der Luft, die mich an einen Kraken denken ließ. Menessos beugte sich über die Steinbank und übergab Aquula den dienstbereiten Armen. Während sie dort verharrte, blies Menessos die Kerzen aus, sammelte die Muscheln und Aquamarine auf und steckte sie in das Leichentuch. Schließlich nahm er den Seestern, schob seine oberste und unterste Spitze darunter und hauchte: »Bis dann.«
Die Erde empfing die Leiche, die so tief darin versank, dass die Grundstückseigner sie unmöglich finden konnten.
Ich wollte, dass dieser traurige Augenblick bald vorbei war, wollte Menessos so bald wie möglich etwas von meiner Energie anbieten – allerdings kein Blut. Schließlich lag mein Blutstein in der Zuflucht, wo ich mich, wenn nötig, selbst mit Energie versorgen konnte.
Xerxadrea hob das Gesicht zum Himmel und flüsterte Ruya etwas zu, worauf der Rabe, der etwas mit seinen Krallen umklammerte, sich in die Lüfte erhob. Ich fragte mich unweigerlich, was es sein mochte. Neugierig betrachtete ich die Eldrenne, als sie ihren Besen mit den Borsten gen Himmel drehte und ein schriller Pfiff die nächtliche Stille zerriss.
Xerxadrea stampfte mit dem hölzernen Besenstiel auf den Gehweg und rief: »Afflatus!« Dann ging ein Luftstrom von ihr aus, ließ die Vampire und mich zurücktaumeln, riss Blätter mit und wirbelte alles, was klein und unbefestigt
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