Feentod
dabei vor Zorn.
So wütend hatte Noraya Papa noch nie erlebt. Sie hatte alle Mühe, dem schnellen Wortwechsel ihrer Eltern zu folgen. Der Druck hinter ihrer Stirn hatte sich verdoppelt und ihr wurde immer schwindeliger. Sie hielt sich am Geländer des Treppenaufgangs fest und schleppte sich nach oben.
Ohne ein weiteres Wort lieà sie ihre Eltern einfach unten stehen und schloss sich im Badezimmer ein. Sie setzte sich auf den Wannenrand, drehte den Wasserhahn auf und hielt ihre Handgelenke unter den eiskalten Strahl. Erst als ihre Hände und Unterarme vor Kälte stachen, drehte sie den Hahn zu und trocknete sich ab. Sie war so unendlich müde. Ohne ihre Zähne zu putzen, huschte sie in ihr Zimmer.
Dort saà Mama auf ihrem Bett. Nach vorne übergebeugt, den Kopf in den Händen, die Schultern hochgezogen. Sie schluchzte ganz leise â es klang eher wie ein Wimmern.
»Ach Mama, ich wollte das nicht«, flüsterte Noraya und setzte sich ganz dicht zu ihr.
»Du kannst doch gar nichts dafür. Ich hätte schon viel eher was sagen sollen. Ich halte das nicht mehr aus, sein ewiges Misstrauen, seine veralteten Ansichten und seine ständigen Meckereien über dieses Land. Ich erkenne ihn gar nicht mehr wieder. Früher war er ganz anders.«
»Ja, als wir klein waren, da war er nicht so.« Noraya kostete es Mühe, ihre Augen aufzuhalten. Schwer lehnte sie ihren Kopf an Mamas Schulter.
»Was hat der Arzt denn gesagt?« Mama richtete sich auf und sah Noraya an.
»Kleine Gehirnerschütterung und Prellung an der Schulter.«
»Dann musst du morgen Ruhe halten!«, ordnete Mama an und putzte sich die Nase, während Noraya schnell ihr Schlafshirt überstreifte.
»Wirst du dich von Papa trennen?« Noraya hatte sich auf den Rücken gelegt und die Frage gegen die Zimmerdecke gerichtet.
»Ich weià es nicht. Aber ich habe diese Option tatsächlich schon angedacht.«
»Hm«, antwortete Noraya leise und fühlte nichts.
»Mach du dir dar ü ber keinen Kopf!«
»Hm. Bin schrecklich müde.«
»Gute Nacht, meine GroÃe.« Ihre Mutter nahm die leichte Daunendecke, schüttelte sie auf und deckte Noraya damit zu. Sie schlief auf der Stelle ein.
»Ich gehe jetzt mit Helia Schuhe kaufen. Papa bleibt das ganze Wochenende bei Achmed. Gehtâs dir besser?«
Noraya richtete sich auf und nickte. Sie hatte noch leichtes Kopfweh und in der Nacht war sie ein paar Mal aufgewacht, weil die Schulter schmerzte, wenn sie sich daraufgerollt hatte. Aber sonst fühlte sie sich, im Vergleich zum Vorabend, wesentlich besser. Zum Abschied rang sie sich sogar ein kleines Lächeln ab.
»Bis später«, rief sie ihrer Mutter nach und kuschelte sich zurück ins Kissen. Sofort waren ihre Gedanken bei Staff. Ob er ihr verzeihen konnte? Ob zwischen ihnen wieder alles gut werden würde? Fast fühlte sie sich ein bisschen schuldig, dass sie Staffs Gefühle mehr interessierten als die ihrer Eltern. Aber der Schatten und die furchtbaren Ereignisse der letzten Tage lieÃen kaum Raum für andere Sorgen.
Ich muss mich noch einmal ganz in Ruhe mit der Liste beschäftigen, dachte sie. Vielleicht kommt mir dann eine Idee, wer der Schatten sein könnte. Und auÃerdem muss ich Staff unbedingt fragen, ob er sich auf dem Festival mit Alina unterhalten hat.
Noraya konnte sich gar nicht daran erinnern, dass sie Staff Alina einmal vorgestellt hatte. Gut möglich also, dass die zwei sich unabhängig von ihr schon kannten. Alina war ja ziemlich viel unterwegs und kannte eine Menge Leute.
Da sie sowieso nicht mehr schlafen konnte, schwang sich Noraya aus dem Bett und gönnte sich eine ausgedehnte heiÃe Dusche. Ihre Schulter schimmerte nun, wie der Arzt angekündigt hatte, dunkelrot und blau. Wenn sie die Stelle auch nur berührte, tat es höllisch weh. Auch die Prellung an der Hüfe begann bereits, sich zu verfärben. Fast musste sie darüber lachen, wie der gestrige Abend verlaufen war. Auch wenn er schmerzhaft gewesen war, hatte der Zusammenstoà mit diesem Kalb von einem Hund auch sein Gutes gehabt. Noraya zweifelte, dass sie und Staff sich ohne den Unfall wieder so nahegekommen wären. Ihr Herz zog sich zusammen. Hoffentlich kommt alles wieder ins Lot, dachte sie und öffnete das Badezimmerfenster, um die dampfende Luft herauszulassen.
Der Signalton ihres Handys genügte, um Noraya zusammenfahren zu
Weitere Kostenlose Bücher