Fehlfunktion
schimpfte mit der jungen Frau, die über den Blasebalg gebückt stand.
»Das dort ist Clio«, sagte das Wesen in Mosuls gestohlenem Körper. »Du hast gesagt, du würdest sie gerne kennenlernen.«
Die Frau wandte sich um und lachte Syrinx an.
»Was hat das alles zu bedeuten?« fragte Syrinx schwach. Ihre Stimme drohte zu brechen.
»Das tun wir nur für dich«, sagte der Folterknecht. Seine Stimme war ein tiefer, weicher Baß, fast ein Gurren. »Wir werden sehr vorsichtig mit dir sein, denn du hast uns ein großes Geschenk gebracht. Ich möchte nicht, daß es beschädigt wird.«
»Was für ein Geschenk?«
»Das lebende Raumschiff. Diese mechanischen Apparate, um die endlose Nacht zu durchfahren, sind für uns nur sehr schwer zu bedienen. Aber dein Schiff besitzt Eleganz und Anmut. Wenn wir dich haben, haben wir auch dein Schiff. Wir können unseren Kreuzzug viel leichter auf andere Welten ausdehnen.«
– Flieh! Flieh, Oenone! Flieh von dieser schrecklichen Welt, meine Geliebte! Flieh von hier und kehre niemals mehr zurück!
»O Syrinx.« Mosuls hübsches Gesicht zeigte den vertrauten mitfühlenden Ausdruck, an den sie sich erinnerte, obwohl es jetzt Ewigkeiten her zu sein schien. »Wir haben dir die Affinität genommen, Syrinx. Wir haben Oxley weggeschickt. Wir haben dir alles genommen. Du bist ganz allein, bis auf uns. Und glaub mir, wir wissen ganz genau, was Alleinsein für einen Edeniten bedeutet.«
»Dummkopf!« schnarrte sie. »Das war keine Affinität. Oenone und ich sind durch Liebe miteinander verbunden!«
»Und wir werden die Oenone ebenfalls lieben«, erklang ein musikalischer Chor.
Sie verbarg ihr Überraschung, so gut es ging. »Aber die Oenone wird euch niemals lieben!«
»Mit der Zeit ist alles möglich«, sang der Hexenchor. »Sind wir nicht der Beweis?«
»Niemals!«
Die fetten Pfoten von Kincaid dem Troll packten ihre Arme fester.
Syrinx schloß die Augen, als sie zu dem Gestell geschoben wurde. Das hier geschieht nicht in Wirklichkeit, deswegen kann ich keinen Schmerz empfinden. Das hier geschieht nicht in Wirklichkeit, deswegen kann ich keinen Schmerz empfinden. Ich kann keinen Schmerz empfinden, und ich muß daran glauben!
Hände zerrten am Kragen ihres Bordanzugs. Das Gewebe gab nach. Heiße, widerliche Luft prickelte auf ihrer nackten Haut.
Das hier geschieht NICHT, deswegen kann ich keinen Schmerz empfinden. NICHT NICHT NICHT …
Ruben saß zusammen mit dem Rest der Besatzung vor seiner Konsole auf der Brücke der Oenone. Nur zwei der Beschleunigungsliegen waren leer.
Ich hätte mit ihr fliegen sollen, dachte Ruben. Wenn ich Syrinx alles hätte geben können, was sie vom Leben erwartet, dann wäre sie wahrscheinlich gar nicht erst zu Mosul gerannt.
– Wir alle tragen Schuld, Ruben, sagte der atlantische Konsensus. – Und die unsrige ist bei weitem schwerer, weil wir Laton auf diese Welt gelassen haben. Dein einziges Verbrechen ist, daß du sie liebst.
– Ich habe sie im Stich gelassen.
– Nein. Wir alle sind selbst für uns verantwortlich. Syrinx weiß das genauso wie du. Individuen können nichts weiter tun, als ein wenig Glück zu teilen, wann immer sie es finden.
– Wir sind also alle nur Schiffe auf der Fahrt durch die Nacht?
– Letzten Endes, ja.
Der Konsensus war so gigantisch, so voller Weisheit, daß es Ruben leichtfiel, ihm zu glauben. Eine ganz wesentliche Komponente der edenitischen Lebensweise.
– Aber sie steckt dort unten in Schwierigkeiten! sagte er. – Sie hat Angst, und sie ist allein! Wir Edeniten sollten nicht allein sein!
– Ich bin bei ihr, sagte die Oenone. – Sie kann mich spüren, auch wenn wir nicht miteinander reden können.
– Wir tun, was wir können, sagte der Konsensus. – Aber unsere Welt ist nicht auf einen Krieg vorbereitet. Uns fehlt die Ausrüstung.
Der Teil Rubens, der sich dem Konsensus angeschlossen hatte, bemerkte, daß Pernik plötzlich mit der Helligkeit einer Sonne erstrahlte – und er saß festgeschnallt in einer kleinen Metallfliege, die willkürlich taumelnd aus dem Himmel fiel.
– SYRINX! schrie die Oenone. – Syrinx. Syrinx. Syrinx. Syrinx. Syrinx.
Die Affinitätsstimme des Voidhawks klang wie ein nicht enden wollender Donnerhall in den Gehirnen ihrer Besatzung. Ruben meinte, taub zu werden. Serina saß mit weit aufgerissenem Mund und auf die Ohren gepreßten Händen da, und Tränen rannen über ihre Wangen.
– Oenone, bitte reiß dich zusammen! verlangte der atlantische Konsensus.
Doch der
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