Fehlfunktion
konstant. Eine optisch undurchdringliche Schicht schwebte zwei Kilometer hoch über dem Boden. Dicke unbekannt. Temperatur unbekannt. Und die Strahlung lag vollständig im unteren, roten Bereich des sichtbaren Spektrums.
»Absolut keinerlei Wolken irgendwo über dieser Schicht«, murmelte Joshua. Wie die meisten anderen Besatzungen der kleinen Flotte hatten auch er und seine Leute sich in die Datavis-Übertragung von den atmosphärischen Sonden eingeklinkt. Irgend etwas beunruhigte ihn an der Tatsache der fehlenden Wolken, sogar mehr noch als das rote Gebilde selbst. »Über Amarisk waren immer Wolken.«
Sarha überflog rasch die Bilder, die Terrance Smith’ kleine Flotte während der Annäherung aufgezeichnet hatte. Sie studierte die Wolkenformationen. »O mein Gott!« rief sie schließlich ungläubig. »Sie teilen sich! Ungefähr hundert Kilometer vor der Küste teilen sich die Wolken, als wären sie auf eine unsichtbare Mauer geprallt.« Sie spielte die Aufnahmen im Zeitraffer in ihre neuralen Nanoniken. Große quellende Streifen von Kumuli und Stratokumuli jagten über den Ozean auf die westliche Küstenlinie des Kontinents zu, um sich unmittelbar davor zu teilen und von der Mündung des Juliffe aus nach Norden und Süden abzuzweigen.
»Jesses! Was braucht man, um so etwas zu tun? Nicht einmal Kulu versucht, sein Wetter auf diese Weise zu manipulieren!« Joshua schaltete zurück auf die Echtzeitaufnahmen aus den Sensorbündeln der Lady Macbeth. Gerade wurde ein richtiggehender Zyklon in zwei ungleiche Teile zerlegt, als er gegen die unsichtbare Grenze prallte. Joshua befahl dem Bordrechner, eine Verbindung zur Gemal herzustellen.
»Ja, das haben wir beobachtet«, sagte Terrance Smith. »Es muß mit der roten Schicht über den Flüssen zusammenhängen. Offensichtlich verfügen die Invasoren über eine unglaublich weit fortgeschrittene Methode zur Manipulation von Energie.«
»Meinen Sie? Die Frage ist doch, was wollen Sie jetzt unternehmen?«
»Wir zerstören den Fokussierungsmechanismus.«
»Das ist nicht Ihr Ernst! Sie können die Flotte unmöglich jetzt in den Orbit schicken! Mit diesen Ressourcen können sie uns zerfetzen, sobald wir in Reichweite sind. Zur Hölle, wahrscheinlich können sie uns sogar aus dem Orbit nach unten ziehen! Sie müssen das Unternehmen abbrechen, Smith!«
»Der Mechanismus befindet sich am Boden, Calvert, kein Zweifel möglich! Er kann nirgendwo sonst sein. Die Blackhawks können mit ihren Verzerrungsfeldern die Masse von allem im Orbit aufspüren, das größer ist als ein Tennisball! Wir müssen nichts weiter tun als die Kundschafterteams aussenden, um die Basis der Invasoren ausfindig zu machen! Genau das, was wir schon die ganze Zeit über geplant haben. Sie wußten das, als Sie sich der Flotte angeschlossen haben. Wenn wir den Feind gefunden haben, können die Raumschiffe ihn aus dem Orbit heraus bombardieren. Deswegen sind Sie hier, Calvert. Niemand hat versprochen, daß es einfach werden würde. Und jetzt halten Sie gefälligst die Formation ein.«
»Mein Gott!« Er blickte sich auf der Brücke um. Alle teilten seine Bestürzung. »Was meint ihr? Bei fünf g könnte ich uns innerhalb zwölf Minuten zu einem geeigneten Eintauchpunkt bringen.«
Melvyn war durch und durch empört. »Dieser verdammte Terrance Smith. Die taktischen Programme in seiner Nanonik müssen vom heißblütigsten Admiral in der gesamten Galaxis stammen. Ich sage, wir verschwinden.«
»Smith hat nicht ganz unrecht«, rumpelte Warlow.
Joshua starrte den großen Kosmonik überrascht an. Er hatte von allen am wenigsten Lust auf dieses Abenteuer gezeigt.
»Es gibt tatsächlich nichts im Orbit, das uns feindlich gesonnen ist«, erklärte er mit seiner tiefen Baßstimme.
»Aber es kann einen verdammten Zyklon zerreißen!« rief Ashly.
»Trotzdem. Die rote Wolke ist atmosphärisch. Was auch immer dafür verantwortlich ist, es beeinflußt das Wetter in den tieferen Atmosphärenschichten. Die Ursache dafür liegt auf dem Planeten, und zwar auf Amarisk. Die Blackhawks sind nicht zerstört worden, oder? Können wir unter diesen Umständen wirklich desertieren? Angenommen, Smith und den anderen gelingt es, Lalonde zu befreien? Was dann?«
Himmel, er hat recht, dachte Joshua. Du wußtest, daß du in der Sache drin hängst, sobald du den Vertrag unterschrieben hast. Aber … Instinkt. Dieses verdammte starrsinnige, undefinierbare mentale Jucken, an dem er immer wieder litt – und dem er blind vertraute.
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