Fehlfunktion
Söldner oben auf der Böschung aktivierten ihre Chamäleonanzüge. Gelächter drang aus dem jungfräulichen Dschungel zu den Hovercrafts herab.
Fenton beobachtete die kleine Lichtung aus der Deckung tief herabhängender Äste einer jungen Gigantea. Das Licht war nicht so strahlend weiß wie über den Dörfern, doch die alles überstrahlende Röte besaß zumindest einen blassen Stich ins Rosafarbene. Im Zentrum der Lichtung hatte jemand ein Blockhaus errichtet; es war nicht die übliche Konstruktion aus einem Gerüst und Bohlen, wie die Siedler von Lalonde sie bevorzugten, sondern eine robuste Angelegenheit, die direkt von irgendeiner alpinen Hochweide hätte stammen können. Ein gemauerter Schornstein aus Bruchsteinen nahm fast eine ganze Seite ein, und Rauch stieg träge nach oben. In der Lichtung steckte eine Menge Arbeit; das Unterholz war zurückgeschnitten, Stämme waren gefällt und zersägt, ein Gemüsebeet angelegt worden. Über einem Gestell waren Tierhäute zum Trocknen aufgespannt.
Der Mann, der das alles getan hatte, war ein gut gebauter Fünfunddreißigjähriger mit leuchtend rotem Haar in einem rot-blau karierten Baumwollhemd und einer schmutzüberkrusteten Arbeitshose. Er arbeitete vor seiner Tür an einem stabilen Holztisch, und seine Werkzeuge waren altmodisch und handbetrieben. Hinter ihm stand ein halbfertiger Schaukelstuhl.
Fenton schlich vorsichtig aus dem tiefen Schatten der Gigantea, ohne die Deckung der Büsche und kleineren Bäume am Rand der Lichtung zu verlassen. In den kurzen Pausen zwischen den Donnerschlägen hörte er das regelmäßige raspelnde Geräusch, als der Mann ein Stück Holz, das auf dem Tisch eingespannt war, mit einem Handhobel glättete. Plötzlich verstummte das Raspeln, und der Mann versteifte sich.
Reza hätte es nicht für möglich gehalten. Der Mann befand sich gut fünfzig Meter entfernt und wandte Fenton den Rücken zu, und das Donnern hielt mit unverminderter Stärke an. Selbst Rezas aufgerüstete Sinne hätten unter diesen Umständen Mühe gehabt, den Hund zu entdecken. Reza und seine beiden Begleiter waren noch gut vierhundert Meter von der Lichtung entfernt. Es half alles nichts … Fenton sprang munter auf die Lichtung.
Der Mann drehte sich um und hob die Augenbrauen. »Ja, was haben wir denn da? Meine Güte, du bist ja vielleicht eine wild aussehende Bestie!« Er schnippte mit den Fingern, und Fenton trottete zu ihm hin. »Ah, dann bist du ja gar nicht allein. Das ist schade, das ist wirklich verdammt schade. Für uns alle, schätze ich. Dein Meister ist wahrscheinlich nicht weit von hier, jede Wette. Wahrscheinlich seid ihr heute morgen mit den Raumflugzeugen gelandet, was? Das muß ein Trip gewesen sein! Ah, na schön, dann mache ich eben morgen an meinem Stuhl weiter.« Er setzte sich auf eine Bank neben dem Tisch und fing an, sich zu verändern. Sein Hemd verlor die Farbe, das Haar wurde blasser, dünner, und die kräftige Gestalt sank in sich zusammen.
Als Reza, Jalal und Ariadne die Lichtung betraten, hatte er sich in einen nichtssagenden Mann in mittlerem Alter mit brauner Haut und hagerem Gesicht verwandelt, der einen alten einteiligen Overall der LEG trug. Fenton trank geräuschvoll Wasser aus einer Schüssel zu seinen Füßen, und sein Bewußtsein strahlte Zufriedenheit über einen neu gefundenen Freund aus.
Vorsichtig näherte sich Reza den beiden. Seine Retinaimplantate untersuchten den Mann von Kopf bis Fuß, und per Datavis übertrug er Pixel für Pixel in seinen Prozessorblock, um ein Identifikationsprogramm damit zu füttern. Obwohl die frühere Phantomgestalt eines kräftigen Holzfällerburschen verschwunden war, entdeckte Reza, daß die Ansätze des dunklen Haars rot schimmerten. »Hallo«, sagte er, nicht sicher, wie er auf die zur Schau gestellte Passivität reagieren sollte.
»Selber hallo und guten Tag. Nicht, daß ich schon jemals einen Anblick wie den Euren erlebt hätte. Nicht außerhalb eines Lichtspielhauses jedenfalls, und selbst dort noch nie, wenn ich mich recht entsinne.«
»Mein Name lautet Reza Malin. Wir sind Teil eines Trupps, der von der LEG beauftragt wurde herauszufinden, was hier unten vorgeht.«
»Dann wünsche ich Euch mit allem gebotenen Ernst jede Unze Glück, mein junger Freund. Ihr werdet es ganz bestimmt brauchen.«
Eine Unze war eine antike Maßeinheit für Gewicht, informierte Rezas neurale Nanonik ihren Träger (Der Begriff »Lichtspielhaus« wurde nirgendwo in der elektronischen Enzyklopädie
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