Fehlfunktion
spürte, wie sich ein unwillkürliches Grinsen auf sein Gesicht stehlen wollte, doch die restrukturierte Physiognomie zeigte nur einen Mundschlitz, der sich geringfügig verbreiterte. »Also ist jemand durchgekommen, wie? Einer von uns hat zurückgeschlagen.«
Shaun ließ den Kopf hängen.
»Ein Mann. Das ist alles. Ein einziger verdammter Dreckskerl.«
»Also seid ihr wohl doch nicht so unbesiegbar, wie? Ich hoffe, es tut Ihnen richtig weh, Mister Wallace. Ihnen und allen Ihresgleichen. Auf diese Weise begreifen Sie vielleicht allmählich, welches Entsetzen und welche Angst uns befallen hat, nachdem wir herausfanden, was Sie diesem Planeten und seinen Kindern angetan haben.«
Der Anflug von Schuld auf dem Gesicht des Besessenen verriet Reza, daß der Hieb seine Wirkung hatte.
»O ja, Mister Wallace, wir wissen Bescheid! Selbst wenn Kelly hier so taktvoll ist, es nicht zu erwähnen. Wir wissen, mit welcher unsäglichen Barbarei wir es zu tun haben.«
»Was für eine Bombe?« fragte Kelly. »Wovon reden Sie da, Shaun?«
»Fragt ihn«, erwiderte Wallace und nickte in Rezas Richtung. »Fragt ihn, wie er den armen Menschen auf diesem Planeten zu Hilfe kommen wollte, die zu retten er angeheuert worden ist.«
»Reza?«
Der Anführer der Söldner schwankte ein wenig, als das Hovercraft einem Felsbrocken auswich. »Terrance Smith war besorgt, daß wir von den Raumschiffen im Orbit möglicherweise nicht die Feuerunterstützung erhalten könnten, die wir brauchten. Er gab jedem Truppführer einen atomaren Sprengkopf mit.«
»Heilige Mutter Gottes!« Kelly sah von einem Mann zum anderen. »Willst du damit sagen, daß du auch eine Atombombe bei dir trägst?«
»Das solltest du eigentlich wissen, Kelly«, antwortete Reza. »Du sitzt drauf.«
Kelly versuchte aufzuspringen, doch Shaun packte ihren Arm und hielt sie fest.
»Habt Ihr denn immer noch nicht herausgefunden, was er ist, Mrs. Kelly? In dieser Spottgestalt von einem Menschen ist nichts Menschliches mehr übrig.«
»Sehen Sie in den Spiegel, Mister Wallace, und betrachten Sie den Körper, mit dem Sie geboren wurden«, entgegnete Reza. »Anschließend bin ich gerne bereit, den ganzen Tag lang mit Ihnen über Moral und Ethik zu diskutieren.«
Sie starrten sich an. Plötzlich senkte sich Dunkelheit herab. Kelly blickte nach oben und bemerkte, wie das rote Licht aus der Wolke über ihnen verschwand und eine schiefergraue bedrohliche Masse blieb, die gefährlich dicht über ihren Köpfen schwebte. Im Osten über der Savanne zuckte ein Blitz aus purpur-weißem Licht herab.
»Was geschieht da?« rief Kelly, als der Donner über das Hovercraft hinwegrollte.
»Das gilt Euch, Mrs. Kelly. Sie spüren Euch. Sie fürchten und sie hassen Euch, nachdem Eure wahre Natur und Eure Macht offenbar geworden sind. Ihr seid der letzte verbliebene Trupp von Kundschaftern, versteht Ihr? Keines der anderen Teams hat überlebt.«
»Und was werden sie tun?«
»Sie werden Euch jagen und zur Strecke bringen, ganz gleich, wie viele von ihnen dabei durch Eure Waffen sterben.«
Zwei Stunden, nachdem Warlow die Lady Macbeth verlassen hatte, klinkte sich Joshua in die Speicher des Bordrechners ein und suchte nach früheren Aufzeichnungen von Schiffen, die durch Lagrange-Punkte gesprungen waren. Zuvor war er mit Dahybi durch die geringe Menge an Daten gegangen, die es über den Murora VII gab, um mit ihrer Hilfe die Berechnungen über Ausdehnung und Lage des Lagrange-Punktes zu verfeinern und die Ergebnisse in den geplanten Kursvektor zu übernehmen. Joshua konnte die Lady Macbeth genau ins Zentrum steuern, daran zweifelte er nicht einen einzigen Augenblick – doch jetzt wollte er wissen, was geschah, sobald er die Sprungknoten aktivierte. Er hatte jede Menge Theorien in den physikalischen Dateien, daß es möglich war, doch es gab keinen Hinweis auf einen bestätigten ZTT-Sprung.
Wer ist schon dumm genug, um an einem Experiment wie diesem teilzunehmen? fragte er sich. Doch er lag auf seiner Beschleunigungsliege, und weil Dahybi, Ashly und Sarha bei ihm auf der Brücke waren, behielt er seine Zweifel lieber für sich. Er überlegte noch, ob es vielleicht in einer der geschichtlichen Dateien einen Hinweis gab – bestimmt hatten die ZTT-Pioniere die Grenzen ihrer neuen Technik erproben wollen –, als sich Aethra per Datavis bei ihm meldete. »Warlow möchte mit dir reden, Joshua«, sagte das Habitat.
Joshua beendete seine Verbindung zu den Speichern. »Hi, Warlow. Wie kommst du
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