Fehlfunktion
Warnungsmeldungen in Kellys Kopf, während sie darum kämpften, die Schürze weiter mit Luft gefüllt zu halten. Sie würden nicht im nächsten Augenblick ausbrennen, doch es war ein Risiko, das Kelly nicht vernachlässigen durfte.
Wie aus dem Nichts tauchte ein langgestreckter Hügel vor ihnen auf, und sie legte den Steuerhebel ganz nach rechts, um entlang der Basis auszuweichen. Das Steuerprogramm, das sie per Datavis von Ariadne übernommen hatte, arbeitete im Primärmodus, wodurch sie in der Lage war, das Fahrzeug mit der gleichen routinierten Geschicklichkeit zu lenken wie die Söldnerin. Ihr Gewicht – oder genauer, ihr fehlendes Gewicht – hatte sie zur idealen Wahl gemacht. Theo steuerte das zweite Hovercraft, und hinter Kelly saß der Priester, doch alle anderen liefen zu Fuß neben den Maschinen her. Selbst Shaun Wallace, obwohl er die wenigen Male, wo sie einen Blick auf den Besessenen erhaschte, im Gesicht so rot war wie ein Marathonläufer beim Endspurt.
Die Ritter auf den Pferden lieferten ihnen eine gnadenlose Jagd. Sie blieben stets ziemlich genau drei Kilometer hinter den Flüchtenden, genau außerhalb der Reichweite ihrer Gaußwaffen. Hin und wieder löste sich der eine oder andere aus der Formation und startete auf eigene Faust einen Angriff. Dann feuerten Sewell oder Jalal jeweils ein paar EI-Granaten, um sie abzuwehren. Zum Glück waren die kräftigen Pikeniere außerstande, mit dem Tempo der aufgerüsteten Söldner mitzuhalten (aber wie kam es dann, daß Shaun dazu imstande war?); sie waren inzwischen fast sieben Kilometer hinter ihnen zurückgeblieben. So weit, so gut, doch die Situation würde sicher nicht lange so stabil bleiben.
Fenton rannte vor den Hovercrafts her und erkundete das Terrain. Dank seiner Größe und Muskelkraft hatte er keine Mühe, durch das harte Gras voranzukommen. Reza sah durch die Augen seines Hundes, während ein Lokomotionsprogramm dafür Sorge trug, daß sein Körper nicht den Anschluß an die beiden Luftkissenfahrzeuge verlor. Nach und nach entwickelte er ein Gefühl für das Land unter den rhythmisch stampfenden Hundepfoten und wußte schon im voraus, wo sich Geländefalten und abrupte Steigungen unter der eintönigen Fassade einer gerundeten Landschaft verbargen.
Dann veränderte sich das Gras vor Fentons Nase spürbar. Der Überzug aus abgestorbener, vertrockneter Vegetation, der bisher den steinharten Boden bedeckt hatte, wurde dichter und nachgiebiger. Wasser, und zwar ganz in der Nähe. Fenton wurde langsamer und schnüffelte prüfend in der Luft.
»Kelly«, sagte Reza per Datavis, »zweihundert Meter voraus verläuft ein kleiner Bach. Die Böschungen zu beiden Seiten sind steil. Fahr dorthin. Ein Teil der Böschung ist eingestürzt, dort kannst du mit den Fahrzeugen runter zum Wasser.«
Vor Kellys geistigem Auge tauchte eine Leitskizze auf, dicht gepackte braune und blaue Konturlinien, eine Computersimulation, wie die Landschaft unter der Vegetation aussah. Ihre neurale Nanonik integrierte es in das Steuerungsprogramm, und sie bewegte den Joystick.
»Wohin führt er?« fragte sie. Bis jetzt hatten sie nicht mehr getan, als eine möglichst große Distanz zwischen sich und das Gehöft zu bringen. Allgemeine Richtung Süden, ohne einen Versuch, zu dem Fluß zurückzukehren, der in die Berge führte.
»Nirgendwohin. Er bedeutet Deckung, das ist alles. Diese Ritter versuchen, uns zu ermüden, und die Bastarde haben Erfolg mit ihrer Strategie. Wir können diese Geschwindigkeit nicht ewig beibehalten, und die Elektronenmatrixzellen der Hovercrafts sind irgendwann leer. Sobald wir nicht mehr beweglich sind, holen uns die Pikeniere ein, und das ist das Ende. Sie wissen, daß wir unmöglich so viele von ihnen abwehren können. Wir müssen die Initiative wieder an uns reißen.«
Kelly gefielen die Schlußfolgerungen nicht, die auf Rezas Worte in ihren Gedanken auftauchten, doch sie gab ihr Bestes, um sie zu ignorieren. Ein Tier, das gejagt wurde, durfte sich keine Skrupel leisten – ganz besonders dann nicht, wenn es wußte, was es erwartete, falls es gefangen wurde.
Kelly erteilte ihrem Kommunikatorblock einen Datavis-Befehl. Seit sie von dem Gehöft aufgebrochen waren, hatte die Maschine ununterbrochen ein Signal zu der geostationären Plattform abgestrahlt sowie den Reservesatelliten, die Terrance Smith mitgebracht hatte. Geheimhaltung war jetzt nicht mehr nötig. Doch die dunkel gewordene Wolke blockierte wirkungsvoll jedes gerichtete Signal.
Theos
Weitere Kostenlose Bücher