Fehlfunktion
Doch er besaß nicht ihren jugendlichen Überschwang. Seine Augen und sein Mund lächelten (für diese Menge Geld war das sicherlich das mindeste), doch der Gesichtsausdruck war bar jeder Emotion dahinter. Anders Bospoort war zu fast gleichen Teilen Gigolo, Zuhälter, Dealer und Pornostar.
Eigenartig, daß die Frau davon nichts zu bemerken schien. Andererseits konnte Bospoort charmant sein ohne Ende, wenn es nötig war, und die kostspielige Flasche Wein, die zwischen beiden auf dem Tisch stand, war fast leer.
Dariat winkte den Barkeeper zu sich. »Wie lautet ihr Name?«
»Marie. Ist heute nachmittag mit einem Raumschiff angekommen.«
Das erklärte eine ganze Menge. Niemand hatte sie gewarnt. Und jetzt umkreisten die Wölfe des Tabitha Oasis ihr Lagerfeuer und hatten ihren Spaß an der kunstvollen Verführung durch Anders. Später würden sie alle teilhaben an der Korrumpierung ihrer Jugend, wenn sie per Sens-O-Vis Zeugen wurden, wie Anders’ aufgerüsteter Penis zwischen ihre Beine glitt. Und dabei ihre Überraschung und ihr Flehen genießen. Fühlen, wie der üppige Körper von geübten, kräftigen Händen berührt wurde. Vielleicht war Anders gar nicht so dumm, dachte Dariat. Es war gute Werbung, mit dieser Marie hier aufzutauchen. Er konnte leicht einen zehnprozentigen Aufschlag für die Pornoflek verlangen.
Der Barkeeper schüttelte traurig den Kopf. Er war dreimal so alt wie Dariat, und er hatte sein ganzes Leben in Valisk verbracht. Er hatte alles schon gesehen, pflegte er zu erzählen, und er kannte jede menschliche Schwäche. »Eine Schande, so ein hübsches Ding wie sie. Irgend jemand sollte sie wirklich warnen.«
»Ja. Woanders würde wahrscheinlich jemand etwas sagen.« Dariat blickte sie erneut an. Eine Frau, die so außerordentlich aussah wie sie, konnte doch unmöglich so naiv sein, was Männer anbetraf?
Anders Bospoort streckte zuvorkommend den Arm aus, als die beiden von ihrem Tisch aufstanden. Marie lächelte und akzeptierte ihn dankend. Er dachte, daß sie wahrscheinlich froh war über die Gelegenheit, so dicht bei ihm zu bleiben. Die Blicke, die sie von den Männern des Tabitha Oasis auffing, waren nicht gerade als scheu zu bezeichnen. Seine Größe und Ausstrahlung verliehen ihr ein Gefühl von Sicherheit. In seiner Nähe konnte ihr nichts geschehen.
Sie gingen durch das Vestibül nach draußen, und Anders orderte beim Kontrollprozessor des Sternenkratzers einen Aufzug. »Danke sehr, daß Sie mich begleitet haben«, sagte Marie.
Er bemerkte die Erregung in ihren Augen angesichts der Aura des Verbotenen. »Ich gehe nicht häufig hierher«, sagte er. »Es kann manchmal ziemlich rauh werden, wissen Sie? Die Hälfte der Stammgäste wird in der Konföderation steckbrieflich gesucht. Falls die Navy jemals auf den Gedanken kommen sollte, Valisk einen Besuch abzustatten, würde sich die Bevölkerung auf ihren Strafkolonien über Nacht verdoppeln.«
Der Aufzug traf ein. Er winkte sie mit einer zuvorkommenden Geste durch die offene Tür. Er war bereits auf halbem Weg zu seinem Ziel, und alles lief so unglaublich glatt. Er war vom ersten Augenblick an, als sie sich vor dem Wohnungsvermittlungsbüro (das war der beste Ort, um neues Fleisch zu fangen) kennengelernt hatten, der perfekte Gentleman gewesen, jedes seiner Worte gemessen und passend. Und sie war mehr und mehr in seinen Bann geraten, wie hypnotisiert von der alten Bospoort-Magie.
Sie richtete den Blick unsicher zu Boden, als sich die Aufzugstüren schlossen, als wäre ihr erst in diesem Augenblick bewußt geworden, wie weit sie sich von zu Hause und ihrer Familie entfernt hatte. Ganz allein mit ihrem einzigen Freund im gesamten Sternensystem. Jetzt gab es keinen Weg mehr zurück.
Er spürte, wie sein Magen sich zusammenzog, als die Vorfreude wuchs. Das alles würde auf der Flek sein: das Vorspiel, die langsame, brennende Phase der Eroberung. Das Publikum liebte eine langsam zunehmende Spannung, und er war ein außergewöhnlicher Künstler.
Die Türen öffneten sich zum vierundachtzigsten Stockwerk.
»Wir müssen zwei Stockwerke zu Fuß gehen«, sagte Anders entschuldigend. »Aber nach unten. Die Lifts arbeiten so weit unten nicht, und die Wartungsmannschaften kommen einfach nicht, um sie zu reparieren. Tut mir wirklich leid.«
Das Vestibül war seit langem nicht mehr gereinigt worden, und in den Ecken sammelte sich der Dreck. Die Wände waren mit Graffiti besprüht, und in der Luft hing der Gestank nach Urin. Marie blickte sich
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