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Fehlschuss

Fehlschuss

Titel: Fehlschuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Geller
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gehalten hatte.
    „Dann ist es wenigstens mein Bett“, beharrte Chris.
    Anne holte tief Luft und blähte die Nasenflügel. Dann schien sie sich
zu besinnen. „Mach was du willst“, brummte sie und wandte sich zum Gehen. An
der Tür drehte sie sich noch mal um. „Kann ich dir die Braun auf den Hals
hetzen? Die hat ziemliche Sehnsucht nach dir!“
    „Gern!“, erwiderte er. „Vorausgesetzt, du könntest mir zuerst was zu
essen auf den Hals hetzen!“
    „Wie bitte?“
    „Essen! Mangiare! Happi-Happi! Dein Patient hat Hunger!“
    Anne riss die Tür auf und stürmte hinaus. Fast tat sie ihm Leid. Aber
nur fast. Dann erinnerte er sich an Zyankali und Fliegenpilz. „War was zwischen
euch?“, erkundigte er sich bei Karin.
    „Nichts Besonderes“, gab sie leichthin zurück.
    „Karin!“
    „Na ja, wir hatten eine kleine Meinungsverschiedenheit.“ Sie drehte
nervös das Bettlaken zwischen den Fingern.
    „Und?“
    „Ach — sie wollte, dass ich nach Hause gehe, damit du absolute Ruhe
hast.“
    „Ja!?“
    „Na ja.“ Sie fühlte sich sichtlich unwohl in ihrer Haut. „Ich hab
nicht eingesehen, was dich stören könnte, wenn ich nur still hier sitze.“
    „Weiter!“
    Karin grinste schief. „Nichts weiter! — Ich bin hier, oder?“
    Er lachte verhalten, gerade so, dass ihm der Schädel nicht brummte. Er
stellte sich die „kleine Meinungsverschiedenheit“ vor. Wenn zwei Menschen wie
Karin und Anne aufeinander prallten, hatte wahrscheinlich das Krankenhaus
gebebt. Zwei asiatische Kampfhähne mit sporenbewehrten Krallen, die, kurz bevor
sie sich die Augen auskratzten, von Schwester Hilde zur Vernunft gebracht
worden waren.
    Eine Schwester brachte eine Tasse Brühe und zwei Toast. Absolute
Schonkost, damit ihm nicht schlecht wurde, falls er doch eine leichte
Gehirnerschütterung hatte, erklärte sie lapidar.
    Na, Klasse! Am liebsten hätte er ihr das Tablett hinterhergeworfen,
stand doch vor seinen Augen ein saftiges Rumpsteak mit Fritten. Aber die
Schwester konnte schließlich nichts dafür. Wahrscheinlich hatte er diese Plörre
den Rachegelüsten von Anne zu verdanken. Trotzdem aß er mit Heißhunger, während
Karin von irgendwoher Rasierzeug besorgte.
    Als er sich die Stoppeln abschabte, besprach er mit ihr die
Organisation der nächsten Tage, und sah sich vor die Tatsache gestellt, dass
sie ihm schon für eine Woche komplettes Arbeitsverbot erteilt und mit der Nixe
alles Nötige besprochen hatte. Er widersetzte sich nicht, denn er fühlte sich
plötzlich so erschöpft, dass er sich nur noch einrollen und schlafen wollte.
    Aber da war Susanne vor, die kurze Zeit später ins Zimmer stürmte.
Ihre Jeans war verwaschen und an den Knien ausgebeult. Das T-Shirt schien
dagegen neueren Datums zu sein, hatte mit den silbrigen Applikationen auf
beiden Schultern sogar einen gewissen Schick.
    Sie ersparte Chris jeden noch so kleinen Vorwurf und schien
erleichtert, dass es ihm einigermaßen gut ging. Hinter ihr schob sich Anne ins
Zimmer. Mit Sicherheit keine medizinische Vorsichtsmaßnahme, sondern die pure
Neugier, wie er vermutete. Aber egal, er würde das jetzt hinter sich bringen,
weil die Polizei seine Aussage dringend brauchte, und dann wollte er nur noch
nach Hause.
    Er bemühte sich um äußerste Präzision, nannte Uhrzeiten, Einzelheiten
wie den leichten Akzent, die seltsame Stimme. Es war ein minutiöses Protokoll
des Schreckens. Der haargenaue Bericht eines Erlebnisses, das er seinem ärgsten
Feind nicht wünschte und ihn innerlich immer wieder erschauern ließ.
    Susanne hörte zu, ohne ihn ein einziges Mal zu unterbrechen, machte
sich nur Notizen. Erst als er verstummte, nickte sie wie zustimmend. Das
Arbeiten ihrer Wangenmuskeln deutete als einziges auf eine Gefühlsregung hin.
    „Möchtest du mit unserem Psychologen reden?“, fragte sie.
    „Ich will keinen Seelenklempner — ich will nach Hause“, knurrte Chris
unwirsch.
    „Wie du meinst.“ Sie fuhr sich müde über die Augen. „Ich hab dich um
3:41 Uhr hier abgeliefert“, begann sie dann. „Zehn Minuten später hatten wir
dich unter Polizeibewachung. Bei Anbruch der Dämmerung haben wir mit der
Spurensicherung im Arloffer Wald angefangen. Dass es der gleiche Parkplatz war
wie bei der Tönnessen, brauche ich euch, glaube ich, nicht erst zu sagen.
    Deinen Wagen haben wir vor zwei Stunden in der Innenstadt gefunden,
mit ziemlich viel Blut auf dem Fahrersitz. Hauptsächlich im Rückenpolster. So,
wie es aussieht, hast du ihn wohl in die Schulter

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