Fehlschuss
getroffen. Hoffen wir, dass
er einen Arzt braucht, und hoffen wir, dass dieser Arzt sich bei uns meldet.
Die Spurensicherung ist dran, und ich wette meinen Kopf, dass die DNA des
Blutes mit der der Haare bei Lautmann und Tönnessen übereinstimmt. Tja, ein
Gutes hat die Sache: Die SOKO „Lautmann“ hat jetzt alle verfügbaren Kräfte
bekommen, und ich kann dich eine Weile unter Polizeischutz stellen.“
Chris verdrehte die Augen. „Ich will keinen Uniformhansel, der in
meinem Wohnzimmer sitzt und in der Nase bohrt.“
„Chris!“
„Nein! Zwei Leute, die das Haus überwachen oder du lässt es ganz! Wenn
er verletzt ist, hat er mit Sicherheit was anderes zu tun, als mir noch mal
aufzulauern.“
Auf der Stirn von Susanne bildete sich eine steile Falte, und sie
wandte sich an Karin. „Wissen Sie eigentlich, was Sie sich mit diesem Sturkopf
antun?“ Und zu Chris sagte sie: „Wenn du es also unbedingt darauf anlegen willst,
bitte! Zwei Leute vorm Haus. Falls du´s dir anders überlegst, brauchst du nur
was zu sagen.“
Sie stand auf und stopfte die Hände in die Hosentaschen. „Wir haben
gestern übrigens Martin Geseke festgenommen. Es scheint eine ziemlich große
Drogengeschichte zu sein. Wir gehen davon aus, dass er irgendeinen Killer
beauftragt hat.“
„Und wie passt dann der Anschlag auf mich da rein?“, fragte Chris.
„Ich kenne weder Geseke, noch weiß ich irgendwas über Drogengeschichten. Da
läuft doch was falsch, Susanne.“
„Wir werden sehen …“
„Das reicht jetzt!“, unterbrach Anne sie schroff. „Ihr könnt euch in
ein, zwei Tagen die Köpfe heißreden. Aber jetzt ist es genug.“
Keiner protestierte. Schon gar nicht Chris, der am Ende seiner Kräfte
war.
An der Tür drehte Susanne sich noch mal um. „Eins noch! Hast du eine
Idee, wie ich dem Staatsanwalt erklären soll, dass du auf unseren Freund
geschossen hast? Du hast meines Wissens keinen Waffenschein!“
„Hab ich nicht noch was gut bei dir?“
Mit etwas, das sich anhörte, wie: „Scheiße! Jetzt bleibt wieder alles
an mir kleben“, verließ die Kommissarin schnell das Zimmer.
Siebenundzwanzig
Karin hatte
keine Mühe, ihn zu Hause wieder ins Bett zu verfrachten. Er war beinahe nicht
mehr die Treppen zu seiner Wohnung hochgekommen, was nicht nur an seinem
verletzten Bein lag. Kaum hatte er sich mit Karins Hilfe ausgezogen und
hingelegt, war er auch schon eingeschlafen. So bekam er auch nicht mehr mit,
dass Karin selbst es gerade noch fertigbrachte, sich auszuziehen und sich dann
neben ihm zusammenrollte, bevor auch ihr die Augen zufielen.
Irgendwann in der Nacht wurde Chris wach und spürte einen weichen,
warmen Körper neben sich. Er rückte nahe heran, legte seine Hand auf die
Rundung von Karins Hüfte und schlief mit einen wohligen Grunzen wieder ein.
Die nächsten beiden Tage verschlief er fast völlig. So war es schon in
seiner Kindheit gewesen: Wenn Klein-Christian krank war, schlief er sich
gesund. Sehr zur Freude seiner Mutter, die kaum Arbeit mit einem quengelnden,
fiebernden Kind hatte, sondern ruhig zusehen konnte, wie sich die ersten
krisenhaften Tage von Masern, Windpocken und Lungenentzündung in Schlaf
auflösten.
Es entging ihm gänzlich, dass Karin am nächsten Morgen in hektische
Aktivität verfiel. Sie quälte sich in die Prothese und biss bei jedem Schritt
die Zähne zusammen. All die Stunden, die sie gestern auf den Beinen gewesen
war, quittierten ihr Oberschenkel und die linke Hüfte mit heftigem Schmerz.
Aber es half nichts — ihre Krücken waren in der Wohnung am Klettenbergpark.
Sie beorderte vorsichtshalber einen Polizisten, der vorm Haus in einem
zivilen Fahrzeug saß, nach oben und fuhr nach Hause. Als erstes legte sie sich
in die heiße Badewanne. Manchmal half das gegen verspannte Muskeln und
überreizte Nervenenden.
Nach einem ausgiebigen Frühstück packte sie ihren Koffer, vergaß auch
die Krücken nicht und fuhr zurück. Danach machte sie einen größeren Einkauf,
der ausreichte, auch einen längeren Belagerungszustand zu überstehen.
Wieder bei Chris, kochte sie Hühnerbrühe, was sich als ziemliche
Herausforderung entpuppte. Natürlich war die Ordnung in den Schränken eine
völlig andere, als in ihrer eigenen Küche. Für einen nicht behinderten Menschen
durchaus vernünftig und praktikabel, für eine Frau auf zwei Krücken aber waren
die Wege zu weit. In Ermangelung eines Servierwagens nahm sie schließlich eine
Einkaufstüte, hängte sie an den Griff einer Krücke und
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