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Fehlschuss

Fehlschuss

Titel: Fehlschuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Geller
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Chris.
    „Was glaubst du, was ich die ganze Zeit tue?“, knurrte sie zurück.
    Aber er ließ sich nicht beirren. „Inge war hier. Sie klaut die Kamera
und Geld. Im Gegenzug versteckt sie hier etwas. — Wo?“
    „Wenn´s was Größeres wäre, hätt´ ich´s längst gesehen, nicht? Wenn´s
also was Kleines ist — überall!“ Sie machte eine weit ausholende Bewegung, die
jeden einzelnen Gegenstand in ihrer Wohnung umfasste und die Hoffnungslosigkeit
dieses Unterfangens noch unterstrich.
    Chris ließ sich mit gerunzelter Stirn in einen der Rattansessel
fallen. Das Pflaster auf seiner Stirn spannte. So ging das auf gar keinen Fall.
Und welche „Kleinigkeit“ sollte Inge auch hier versteckt haben? Für ein
Briefchen mit zehn Gramm Kokain ermordete man niemanden.
    In der Nacht, als Karin ihn angerufen hatte, waren ihm spontan ihre
Fotos eingefallen. Wenn es sowieso keinen Anhaltspunkt gab, wieso sollte er
dann diesen Gedanken nicht wieder aufgreifen?
    „Fang mit den Negativen an“, schlug er deshalb vor.
    „Was?“
    „Fang mit deinen Negativen an“, wiederholte er. „Du bist Fotografin,
Karin! Du fotografierst Landschaften, Industrieanlagen, Menschen, alles.“
    „Oh Chris! Das ist Quatsch. Ich hab dir doch gesagt, das meiste davon
ist uralt.“
    „Und was nicht uralt ist?“
    „Mein Privatvergnügen“, erklärte sie ungehalten. „Das haben wir doch
schon mal durchgekaut. Es sind so Sachen wie die holsteinische Seenplatte. Und
dann die berühmten Hochzeiten und neunzigsten Geburtstage. Die Negative behalte
ich grundsätzlich.“
    „Aha!“
    Karin verdrehte die Augen. „Meinst du, auf der vorletzten Hochzeit hab
ich aus Versehen Al Capone geknipst, oder was?“
    „So ähnlich, ja.“ Chris nickte breit grinsend.
    „Okay! Aber es sind Hunderte von Filmen mit jeweils sechsunddreißig
Negativen!“
    „Fang einfach mit den neuesten an“, entschied er. „Für alte Schinken
interessiert sich wohl niemand mehr. — Kann ich dir irgendwie helfen?“
    „Allerdings“, sagte sie und lächelte verschmitzt. „Erstens: Kaffee
kochen. Zweitens: Für nette Musik sorgen. Drittens: Mich mindestens
halbstündlich küssen. Ab jetzt!“
    Er stand auf, nahm lachend ihr Gesicht in beide Hände und kam der
Aufforderung nach. Mehrmals. Bis Karin mit geschlossenen Augen zwischen zwei
Küssen murmelte: „Wenn du jetzt nicht aufhörst, wird das nix mit den
Negativen.“
    „Was hättest du sonst noch auf dem Programm?“, murmelte er zurück.
    „Eine ganze Menge, mein Schatz, eine ganze Menge!“ Karin legte ihre
Stirn behutsam an das breite Pflaster auf seiner Stirn. „Aber du wirst dich
etwas gedulden müssen. Ich will nämlich, dass das hier aufhört, dass keine
Bullen mehr vor unserer Tür stehen müssen, dass du … Herrgott, ich will, dass
es vorbei ist, in Ordnung?“
    Chris kam seinen Pflichten akribisch nach. Zunächst setzte er die
Kaffeemaschine in Gang, dann stand er lange vor den Regalbrettern mit den CDs.
Nicht, weil er sich nicht hätte entscheiden können, sondern weil er von der
peniblen Ordnung fasziniert war. Klassik und Unterhaltungsmusik waren sauber
voneinander getrennt und alphabetisch geordnet. Die Sampler standen wieder in
einer extra Reihe, unterteilt in Instrumental, Blues, Evergreens, Pop. Chris
nahm sich — wieder einmal — vor, ordentlicher zu werden.
    Er legte schließlich eine leichte Instrumentalmusik auf. Die konnte
nebenherlaufen, ohne abzulenken. Danach brachte er Karin einen Becher Kaffee.
Er hielt die Kusspausen pünktlich ein und steckte ihr ab und an eine Zigarette
zwischen die Lippen. Während seiner „Freizeit“ lag er im Sessel, die Beine auf
dem Glastisch und vertiefte sich in einen ihm noch unbekannten Krimi von Ruth
Rendell.
    Er wusste, dass er absolut nichts tun konnte. Es war einzig und allein
Karins Ding. Er hoffte nur, dass er mit den Negativen auf der richtigen Fährte
war. Sonst würde sie wirklich jedes einzelne Teil in dieser Wohnung in die Hand
nehmen und begutachten müssen.
    Karin hockte derweil auf dem Boden in ihrem Arbeitszimmer, um sich
herum einige eng gefüllte Karteikästen und mehrere Stapel gelber Mappen, in
denen die Negative fein säuberlich in säurefreien Hüllen abgelegt waren. Es war
eine monoton-leise Geräuschkulisse, die Chris beim Lesen begleitete. Das Klappern
der Karteikarten in den Kästen, das knisternde Umschlagen der Negativhüllen,
die sirrende Spannung, die über allem lag.
    Umso erschreckender war es, als diese Geräusche

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