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Fehlschuss

Fehlschuss

Titel: Fehlschuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Geller
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darüber nach, wie weit Flöhe wohl springen
konnten.
    Die laute Stimme eines britischen Reiseführers scholl herüber:
„Cologne and its Cathedral are a perfect …“
    Der Grobschlächtige war aufgestanden und baute sich breitbeinig vor
Chris auf. Er stand gegen die Sonne, und Chris musste die Augen
zusammenkneifen, um halbwegs sein Gesicht erkennen zu können.
    „Für´n Zehner wüsst ich´s vielleicht“, kam es lauernd.
    Chris schüttelte den Kopf. Ein bisschen mulmig angesichts der Pranken
war ihm schon. Aber er war entschlossen, sich nicht einschüchtern zu lassen.
„Mehr wie´n Fünfer is´ nich´.“
    Sofort streckte sich auffordernd eine große Hand aus. Chris holte
einen Schein aus seiner Jackentasche, hielt ihn aber noch fest.
    „Is´ meistens aufer andern Seite“, sagte sein Gegenüber und deutete
mit dem Kopf Richtung Bahnhof. Der Geldschein wechselte den Besitzer. „Sachse,
der große Will schickt dich. Dat bin ich, und dann frachse nach de Stang.“
    De Stang — Stockberger, Stock, Stange. Könnte stimmen, überlegte
Chris, als er durch den Bahnhof trabte.
    Auf der Rückseite des Bahnhofs, am Breslauer Platz, sah er erst mal
nur die riesigen Zäune, die die U-Bahn-Baustelle seit Jahren abschirmten. Beim
zweiten Hinsehen fiel ihm auf, dass es dazwischen genauso hektisch zuging wie
auf der Domplatte. Taxen spuckten Reisende, Koffer und Taschen aus, luden an
anderer Stelle wieder Menschen und Gepäck ein. Vor zwei Bussen, die Richtung
Flughafen fuhren, hatten sich Menschentrauben gebildet.
    Der Hinweis auf den großen Will bewirkte Wunder. Jedenfalls erhielt er
ohne irgendeine Gegenleistung Auskunft. Die Jungs schickten ihn allerdings
weiter zum Ebertplatz. Da wäre de Stang heute anzutreffen, „gleich hinter der
Unterführung“.
    Mehr wütend als zuversichtlich machte Chris sich auf den Weg.
Überhaupt nicht sicher, ob die ihn nicht einfach immer weiter schickten, um ihn
loszuwerden. Es würde ihn nicht wundern, wenn er irgendwann wieder am
Rudolfplatz, seinem gestrigen Ausgangspunkt, anlangte und dort jemand
behauptete, de Stang sitze auf der Domplatte.
    Er wählte einen kleinen Umweg, um nicht über die hässliche, laute
Turiner Straße laufen zu müssen. Stattdessen ging er zum Ursulaplatz, und von
dort aus über den Eigelstein. Türkische und asiatische Lebensmittelgeschäfte
wechselten sich mit An- und Verkaufsläden der unterschiedlichsten Sorte ab:
Schmuck, Uhren, Elektronikartikel, Klamotten. Wer die richtigen Leute kannte,
wurde hier die heißeste Ware los. Dazwischen hatten sich Buchhandlungen,
Edelboutiquen und ein sündhaft teures Haushaltswarengeschäft angesiedelt.
    Chris schlenderte mit der verbliebenen Schnapsflasche die Straße
hinunter und nahm die hektische Betriebsamkeit rundherum in sich auf. Die Menschen
liefen kreuz und quer über die enge Fahrbahn, feilschten mit dem Gemüsehändler
oder palaverten vor der Eisdiele miteinander.
    Kurz darauf ging er unter dem Eigelsteintor hindurch und steuerte auf
den Ebertplatz zu. Hoffentlich würde er von weiterem Schnaps verschont bleiben.
Sonst würde er außer Flöhen auch noch einen gehörigen Rausch mit nach Hause
nehmen. Schließlich hatte er seit dem Frühstück nichts mehr gegessen.
    „Hinter der Unterführung“ war für den Ebertplatz eine ziemlich
ungenaue Beschreibung. Es gab sechs oder sieben davon. Mal länger, mal kürzer,
mal mehr oder weniger nach Urin stinkend, belebt oder menschenleer.
    Chris sah ihn sofort, als er aus der Unterführung in den Park am
Theodor-Heuss-Ring einbog. Schätzungsweise zwei Meter groß, aber klapperdürr
und ein wenig gekrümmt — wie eine Bohnenstange eben. Er stand vor einer
Parkbank und machte irgendwelche Faxen, über die sich vier andere Berber, die
auf der Bank saßen, königlich amüsierten. Nüchtern war er nicht, das sah Chris
gleich, als er sich neben ihn stellte.
    Stockberger hielt sofort inne und musterte ihn argwöhnisch. Seine
Hände waren ebenso rot wie die des Riesen am Dom. Außerdem waren noch vor
Schmutz starrende Falten tief in die Finger eingekerbt. Sein Gesicht sah ganz
ähnlich aus, was aber unter dicken Bartstoppeln nicht so deutlich zu erkennen
war. Chris hätte nicht schätzen können, wie alt er sein mochte. Zwischen
dreißig und fünfzig war alles möglich. Wenn er allerdings ein Schulkamerad von
Inge gewesen war, stimmte eher dreißig.
    „Kein Bulle“, erklärte Chris.
    Die dunklen Augen von Stockberger begannen fröhlich zu glimmen. „Dat
sieht mer“,

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