Fehlschuss
paar Minuten im Bett
verschleißen lassen?“
„Hör auf!“
„Willst du das?“, wiederholte sie ungerührt.
„Wenn du´s unbedingt hören willst: Nein!“, brüllte Chris und schlug
mit der Faust auf den Tisch. Leas Kaffee schwappte in die Untertasse.
„Du stehst nicht auf große Frauen.“
„Nein.“
„Sie ist schwierig.“
„Ja.“
„Sie sieht nicht aus wie Claudia Schiffer.“
„Lea! Es geht nicht darum, wie sie aussieht, wie viele Narben auf
ihrer Haut sind und ob sie ein, zwei oder drei Beine hat!“ Er stand kurz vor
der Explosion. Hätte er sich doch bloß allein betrunken gestern Abend! Welcher
Teufel mochte ihn geritten haben, sich ausgerechnet bei Lea auszuheulen?
„Wie viele erwachsene Frauen gibt es in Köln?“
„Was? — Etwa dreihunderttausend“, antwortete er automatisch und
begriff plötzlich. Lea spielte den Advocatus Diaboli auf ihre Weise.
„Und du bist sicher, dass es ausgerechnet diese eine sein muss?“
„Ja“, sagte er schlicht.
Und ebenso schlicht kam es nach ein paar Sekunden, in denen Lea ihn
durch den Rauch ihrer Zigarette fixiert hatte, zurück: „Okay.“
In stillem Einvernehmen grinsten sich die beiden über den Küchentisch
hinweg an. Bis Lea fragte: „Was hast du jetzt vor?“
„Wenn Karin meint, mich wieder ertragen zu können, wird sie mich das
wissen lassen“, antwortete Chris so beiläufig wie möglich. Obwohl er keineswegs
sicher war, ob das jemals der Fall sein würde. Bei einem Menschen wie Karin
funktionierte es ganz sicher nicht, sich einfach zu entschuldigen und die Sache
damit aus der Welt zu schaffen. Ob er Abbitte leistete oder in China ein Sack
Reis platzte, würde auf Karin ungefähr die gleiche Wirkung haben, nämlich gar keine!
Wenn sie etwas mit ihm zu tun haben wollte, musste sie mit sich und der Welt
wieder ins Reine kommen. Ganz einfach. Und dazu konnte er nichts, absolut
nichts beitragen.
„Ansonsten werde ich versuchen, mit dieser Gertrud Schmitz zu reden.
Irgendwo muss es ja mal ein Packende geben!“
„Leg dir vorher ein paar Eiswürfel auf die Augen“, sagte Lea trocken.
„Du siehst aus wie ein Karnickel aus dem Versuchslabor. Also gut, während du
dich um die Schmitz kümmerst, besorg ich uns was Nettes zum Abendessen und hol
mir ein paar Klamotten von zu Hause.“
„Lea, du musst wirklich nicht …“, begann er lahm, wurde aber sofort
wieder unterbrochen.
„Schätzchen — unsere wievielte Krise ist das?“
Sie war nicht davon abzubringen, den Rest des Wochenendes bei Chris zu
kampieren. Und so ganz unlieb war ihm das nicht, wie er sich eingestand, als er
mit viel kaltem Wasser und einer gründlichen Rasur versuchte, sein Gesicht auf
Vordermann zu bringen.
Gertrud Schmitz war im Telefonbuch achtundzwanzig Mal vertreten. Lea
zählte nach und kam zu dem gleichen Ergebnis. Innerlich beglückwünschte sich
Chris, keinen Willi oder Josef zu suchen. Die gab es nämlich zu Hunderten!
Sie teilten sich die achtundzwanzig Nummern. Lea schnappte sich das
Handy und verzog sich in die Küche, Chris nahm den Festnetzanschluss.
Es war immer das Gleiche. Nachdem er sich vorgestellt hatte, um
Entschuldigung für die Störung bat und nach Inge Lautmann fragte, hörte er nur:
„Keine Ahnung.“ „Nie gehört.“ „Tut mir Leid.“ „Nein, kenn ich nicht.“
Er wählte gerade die elfte Nummer auf seiner Liste an, als Lea aus der
Küche gewuselt kam.
„Bingo!“ Triumphierend hielt sie einen Zettel hoch. „Um drei.
Friedrich-Schmidt-Straße!“
„Du bist ein Engel!“, rief Chris, der von Gespräch zu Gespräch
niedergeschlagener geworden war.
„Das weiß ich, Süßer! — War ein bisschen verkniffen, die Dame.“
„Wie meinst du das?“
„Na ja, sie wollte erst gar nicht so mit der Sprache raus. Wollte sich
auch nicht mit dir treffen. Erst als ich gesagt habe, Heinz schickt dich, hat
sie zugestimmt. Sie schien ziemlich nervös.“
Als er gegen halb drei auf die Straße trat, hielt er einen Augenblick
lang sein Gesicht in die Sonne und atmete tief durch. Es war ein warmer Tag,
der nach Sommer duftete. Hein stand wie immer vor seinem Kiosk und grüßte
fröhlich herüber. Chris winkte zurück und stieg schnell in den schwarzen
Nissan. Er hatte wirklich keine Lust auf einen Schwatz mit Hein.
Die Friedrich-Schmidt-Straße lag direkt am Stadtwald. Eine edle Gegend
mit gepflegten Gärten, altem Baumbestand und einigen Villen aus der
Gründerzeit. Wer hier wohnte, war mit Sicherheit nicht arm, und bevor er
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