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Fehlschuss

Fehlschuss

Titel: Fehlschuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Geller
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hat´s aber
erwischt!", stellte sie fest und rutschte von ihrem Barhocker.
    Dann baute sie sich breitbeinig vor ihm auf und fragte mit unnatürlicher,
dunkel-heiserer Stimme: „Gehen wir zu dir oder zu mir, Baby?“
    Sie schaffte es immerhin, ihm ein Grinsen zu entlocken. „John Wayne?“
    „Humphrey Bogart. — Los komm!“ Mit einer Handbewegung bedeutete sie
der Wirtin, anzuschreiben. Der Einfachheit halber bezahlte sie hier sowieso nur
ein Mal im Monat.
     
    Bis sie in der Piusstraße waren, schwiegen sie beide. Lea ließ ihm
Zeit, sich zu sammeln, die richtigen Worte zu finden. Manchmal konnte sie
ekelhaft sensibel sein.
    Bei viel zu viel Wein brach schließlich die ganze vergangene Woche aus
ihm heraus. Angefangen mit diesen panisch aufgerissenen Augen, die so
unwirklich erleuchtet wurden von den blauen Lettern der „Frielingsdorf KG“;
über das dumpfe, nagende Gefühl, Inge könnte noch leben, wenn er sie nicht
hochgehoben und uns Auto getragen hätte; bis hin zu dieser schroffen Bärin, die
sich so unvermittelt in sein Herz geschummelt hatte. Einfach da war und nicht
wieder verschwinden wollte.
    Lea hörte geduldig zu, gab hier und da einen Kommentar ab, und meinte
schließlich — genau wie Anne —, dass er richtig gehandelt hatte, als er Inge
Lautmann ins Krankenhaus gefahren hatte. Dann spielte sie alle Theorien durch,
die Chris und Susanne im Kopf herumschwirrten, kam aber auch zu keinem
schlüssigen Ergebnis. Nur zu Karin sagte sie kein einziges Wort.
     
    Chris wachte auf, als ihm die Sonne ins Gesicht schien. Nur vage
erinnerte er sich, wie er ins Bett gegangen war, und der dumpfe Schmerz hinter
der Stirn verriet ihm, dass er mal wieder zu tief ins Glas geschaut hatte.
Seine Augen brannten, es war viel zu hell im Zimmer und er war versucht, sich
einfach das Kissen über den Kopf zu ziehen und noch eine Runde zu schlafen.
    Aber in der Küche schmetterte jemand grässlich falsch den
„Gefangenen-Chor“, und Kaffeeduft stieg ihm in die Nase. Also rappelte er sich
hoch, schlüpfte in den blauen Bademantel und taperte barfuß durchs Wohnzimmer.
Auf der Couch lag zerwühltes Bettzeug. Hatte er Lea etwa noch ein Bett gemacht?
Er konnte sich beim besten Willen nicht daran erinnern.
    Sie erschien in der Küchentür und blieb mit schief gelegtem Kopf
stehen. Die feuerroten Haare glänzten feucht und standen in alle
Himmelsrichtungen. Ihre Augen leuchteten mit den Apfelbäckchen um die Wette.
Kurz: Sie sah aus wie das blühende Leben. Dabei hatte sie mindestens so viel
getrunken wie Chris.
    „Komm frühstücken“, forderte sie ihn auf und wedelte zur Bekräftigung
mit einem Küchenhandtuch.
    Sie hatte frische Brötchen besorgt und die Tageszeitung aus dem
Briefkasten gefischt. Der runde Tisch in der Küche war in der für Lea typischen
eigenwilligen Art zum Frühstück gedeckt. Tassen und Untertassen gehörten zu dem
edlen Geschirr mit dem geblümten Rand, das er von Luise zum Einzug bekommen
hatte. Daneben allerdings lagen die eckigen zerkratzten Holzbrettchen, die er
nur selten benutzte. Darauf wiederum standen Servietten, die kunstvoll zu einer
Blume gefaltet waren — eine der vielen Leidenschaften von Lea.
    Chris nahm sich Kaffee und schlug gleich die Zeitung auf. Nichts Neues
in der Welt. Manchmal fragte er sich, wie die Redakteure es trotzdem schafften,
eine dicke Samstagsausgabe hinzukriegen. Sogar die „mysteriösen Morde im
Rotlichtmilieu“ waren auf Seite zwei des Kölnteils gerutscht. Der Artikel
enthielt nichts, was er nicht schon wusste.
    „Iss was!“, verlangte Lea plötzlich.
    Er hatte zwei Tassen Kaffee getrunken, aber feste Nahrung bislang
verschmäht.
    „Du klingst wie meine Mutter!“
    „Scheiße, Chris! Scheiße! Es nützt niemandem, wenn du vom Fleisch
fällst!“, blaffte sie zurück und setzte hinzu: „Karin am allerwenigsten!“
    Da war es wieder, dieses Ziehen in der Herzgegend. Aber hatte sie
nicht Recht? Er zwang sich ein Brötchen mit Marmelade rein, das wie kalte Pappe
schmeckte.
    Den Verzehr dieses Brötchens sah Lea wohl als Schonfrist an, denn kaum
hatte er den letzten Bissen geschluckt, legte sie los. Begann eine nüchterne
Analyse.
    „Also gut, mein Schatz! Dass du nix dafür kannst, dass diese Lautmann
tot ist, hast du hoffentlich kapiert. Geh ich zumindest von aus. Was bleibt,
ist Karin!“
    „Lea, tu mir einen Gefallen …“
    „Nein, den tue ich dir nicht!“, unterbrach sie ihn schroff. „Sie kann
nur Affären, hast du gesagt. Willst du dich für ein

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