Fehlt noch ein Baum
verkleinerter Sumoringer. Der MaÃstab liegt ungefähr bei eins zu dreiundvierzig.
Mein Freund und ich kamen zu dem Schluss, dass Kleinkinder junge Sumokämpfer sind. Dieselben weiÃen Pampers, sie essen genauso viel, kriechen innerhalb eines Rings herum â¦
Aber warum machen sich erwachsene Menschen zu Kleinkindern? Vielen gefallen sie eben, die Sumoringer. Und nicht nur den Frauen, die leidenschaftliche Mütter sind!
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9. Dezember 2003
Tropf, tropf
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Vera zahnt immer noch. Daher flieÃt bei ihr reichlich Speichel. Er flieÃt die Mundwinkel hinab und tropft auf alles, was sich in unmittelbarer Nähe befindet (von Veras Kleidung ganz zu schweigen): auf den Esstisch, den Schreibtisch, die Computertastatur. Meine Arme glänzen bis zu den Schultern von Veras Speichel. Mein T-Shirt und meine Jeans sind so feucht, dass man sie auswringen könnte. Was die Speichelproduktion betrifft, ähnelt meine Tochter der Bulldogge aus der Nachbarschaft. Was für ein Glück, dass man Bulldoggen nicht auf dem Arm tragen muss.
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10. Dezember 2003
Mein einziger Fan
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Unglaublicherweise gefällt es meiner Tochter, wenn ich ihr Lieder vorsinge. Das ist schrecklich â ich selbst kann mich überhaupt nicht hören. Meine Schwester ergreift die Flucht, sobald ich anfange,
Stand ein kleiner Tannenbaum im Walde
zu knarzen, und dabei kaum eine Note treffe.
Vera aber lauscht mit angehaltenem Atem. Ich habe versucht, ihr Kassetten mit Kinderliedern zu geben, denen schenkte sie null Beachtung. Sie will nur mich.
Objektiv betrachtet, ist dies die Sternstunde meiner Gesangskarriere, einen solchen Fan werde ich nie wieder haben.
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11. Dezember 2003
Omen
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Es gibt dieses Omen: Wenn man von einem Kind angepinkelt wird, dann wird man auf dessen Hochzeit tanzen. Und wenn es einen ankackt? Welche Konsequenzen hat das für die ferne Zukunft?
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12. Dezember 2003
Was sagt mein Name dir?
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Vera sitzt auf meinem Schoà vor dem Computer. Meine Mutter kommt dazu und ruft sie:
»Vera! Vera!«
Vera dreht sich um und lächelt. Meine Mutter ist begeistert, dass Vera schon so gut ihren Namen kennt.
»Sie reagiert schon! Was für ein kluges Kind!«
Meine Schwester steht dahinter und ruft:
»Mischa! Mischa!«
Vera dreht sich zu ihr um und lächelt.
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15. Dezember 2003
Vom Göttlichen
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Eigentlich bin ich etwas besorgt, dass Vera allen ohne Unterschied zulächelt. Zu allen möchte sie auf den Arm, mit allen ist sie glücklich. Ihr ist es egal, ob ich es bin, eine Masseurin oder ein ihr unbekannter Bürger.
Sie will es wohl Dale Carnegie nachmachen? Das heiÃt dann, dass sie auf alle scheiÃt? Und niemanden liebt? SchlieÃlich ist es nicht möglich, alle zu lieben!
Und wenn sie vielleicht doch alle liebt? Und garnicht meine Tochter Vera ist, sondern der neue Erlöser? SchlieÃlich gibt es die Ansicht, der neue Erlöser sei eine Frau.
Das würde bedeuten, dass sich demnächst der Himmel auftut, usw. Die Apokalypse naht, und ich habe noch nicht mal das Fallschirmspringen ausprobiert, war noch nie im Eisloch baden und habe mir noch keine Dauerwelle machen lassen, obwohl ich mein Haar schon seit drei Jahren wachsen lasse.
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16. Dezember 2003
Vom Spott
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Wenn man mir sagt, dass Vera ein sehr niedliches Kind ist, eine Schönheit, ein Herzchen, Häschen und Kätzchen, vermute ich hinter solchen Beteuerungen immer sofort versteckten Spott oder schmierige Schmeichelei.
Da sagt man nun, die eigenen Kinder sind die schönsten. Quatsch. Ich weià genau, dass Vera nicht das schönste Kind auf der Welt ist. Ich bin ja nicht blind. Sie ist ein normales Kind mit einem gewöhnlichen ÃuÃeren. Das Wichtigste ist doch die Gesundheit und nicht die Länge der Wimpern oder ein Schmollmund.
Keine Schönheit kann eine schwache Gesundheit kompensieren, das steht fest.
Wobei ich mich moralisch schon darauf eingestellt hatte, dass Vera eine schwache Gesundheit haben würde, weil die Ãrzte bis zum neunten Schwangerschaftsmonat ständig irgendwelche angeborenen Anomalien entdeckten, wie zum Beispiel einen Herzfehler. Bis zum letzten Schwangerschaftsmonat war meine Bettlektüre ein Lehrbuch der pränatalen Pathologie.
Nun sehe ich in Veras Gesundheit ebenfalls verstecktenSpott. Wieso wurdest du so stark geboren, Tochter?
Ãberhaupt, man kann niemandem glauben â¦
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17. Dezember 2003
Ein
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