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Fehlt noch ein Baum

Fehlt noch ein Baum

Titel: Fehlt noch ein Baum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irina Tabunowa
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klatschen.
    Außerdem ist sie heute sieben Monate alt geworden.
    Â 
    30. Dezember 2003
Hallo, Väterchen Frost!
    Â 
    Eine Mitarbeiterin meines Vaters erzählte von einem Neujahrsfest im Kindergarten, bei dem sie als Oma dabei war. Sie sagte, alles sei gut und schön gewesen, bis Väterchen Frost auftauchte. Er war gerade zur Türhereingekommen und hatte noch nichts gesagt, als unter den Kleinen die Panik ausbrach. Alle Kinder rannten, sich gegenseitig schubsend und die Stühle umwerfend, zu ihren Müttern und Großmüttern. Der eine kroch unter den Weihnachtsbaum, der andere hinters Klavier … Das Geschrei tönte durch den gesamten Kindergarten. Das Fest war verdorben. Verse wurden nicht aufgesagt, Lieder blieben ungesungen.
    Gerade hat eine Freundin angerufen. Ihre Tochter ist noch keine zwei Jahre alt. Meine Freundin und ihr Mann haben überlegt, ob sie ein Väterchen Frost nach Hause bestellen sollen oder nicht. Ihr Mann meint, es sei nicht nötig, er würde selbst das Väterchen Frost spielen. Bei seinem Anblick erstarrte die kleine Mascha, man konnte sie kaum beruhigen. Bis zum Schluss, solange der Vater als Väterchen Frost in der Wohnung war, wich die sonst so mitteilungsbedürftige Mascha keinen Schritt von der Seite ihrer Mutter.
    Wer also braucht ein Väterchen Frost, die Kinder oder die Eltern?
    GLÜCKLICHES NEUES JAHR !

Erinnerungen an den sechsten
Schwangerschaftsmonat.
Der Schlüssel zur Wohnung,
in der das Geld liegt
    Â 
    Viele Männer haben eine perverse Vorstellung von Unterstützung, Hilfe und Rettung einer Frau, die in eine unangenehme Situation geraten ist. Sie denken, wenn sie einem offiziell erlauben, für sie zu kochen, die Fußböden zu wischen und die Hemden zu bügeln, muss ihnen die Frau dankbar sein bis zum Grabe. Aber was mich betrifft, wäre es mir lieber, sie würden ihre Unterhosen selbst waschen. Und meine Vorstellungen vom idealen Retter sind völlig andere.
    Mein Retter klingelt an der Tür und sagt etwas wie:
    Â»Ira, kommen wir gleich zur Sache. Wir sind schließlich erwachsene Menschen, du kannst dir später selbst irgendetwas Romantisches ausdenken. Hier hast du Geld, zehntausend Dollar. Das ist ein Geschenk. Ich fordere keine Gegenleistung. Und heiraten will ich dich auch nicht – was soll ich mit einer Frau, die einen Braten in der Röhre hat? Ja, und außerdem glänzt du weder durch Schönheit noch durch Intellekt. Natürlichkönnen wir uns ab und zu einen Fick unter Freunden erlauben, aber das ist keine Bedingung. Wie du verstehen wirst, komme ich auch ganz gut ohne das klar. Wir können also geheimnisvolle Wesen füreinander bleiben, ganz wie in den langweiligen Romanen von John Fowles. Es ist deine Entscheidung, ich muss jetzt los, in einer Stunde geht mein Flugzeug an die Costa Brava. Hier hast du meine Telefonnummer, wenn du Geld brauchst, gib mir einen Wink. Na dann, Kindchen, bleib gesund.«
    Daraufhin sinke ich auf die Knie, küsse die Spuren seiner Füße und rufe zwischen den saftigen, schmatzenden Küssen:
    Â»Oh, mein Retter! Oh, mein Wohltäter! Oh, mein Gott und Idol!«
    Wieder quartierte ich mich für eine Woche bei Olga und ihrem Sohn Ignatij ein.
    Â»Aber nur für eine Woche, nicht länger, sonst schmeißt mich mein Sohn zusammen mit dir raus. Du kennst ja diese Teenager …«
    Â»Nein.«
    Â»Dann wirst du sie noch kennenlernen. Vor kurzem wurde ich schon wieder von der Schule vorgeladen, um mit der Klassenlehrerin darüber zu sprechen, dass er sich mittlerweile jeden Tag prügelt … Kinder schmücken unser Leben wie Blumen … Dann habe ich wohl eine Blütenstauballergie!«
    Â»Und, hat das Gespräch geholfen?«
    Â»Ach was … Ich verstehe natürlich, dass die Lehrer einen Mörderjob haben, aber nach dem Gespräch mit ihr hätte ich selber gern jemandem die Fresse poliert.«
    Â»Statistisch gesehen machen die Pädagogen den größten Prozentsatz der Irrenhausinsassen aus.«
    Â»Was ist schon ein Pädagoge, Ira? Bei den alten Griechen war der Pädagoge ein Sklave, der das Kind in die Schule gebracht hat. Unter den Sklaven war er einer der ranghöchsten, gleich nach der Hauptsklavin der Ehefrau des Hausherrn.«
    Zu diesem Zeitpunkt kümmerte sich Olga bereits um ein Visum und meldete sich parallel dazu bei einem Fitnessstudio an – einem düsteren sadomasochistischen

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