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Fehlt noch ein Baum

Fehlt noch ein Baum

Titel: Fehlt noch ein Baum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irina Tabunowa
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Gespräch
    Â 
    Meine Schwester und meine Mutter unterhalten sich.
    Â»Mama, schau mal, wie gut Vera schon sitzen kann, sie kippt gar nicht um!«
    Â»Ja, ja, man muss ihr die Pampers wechseln …«
    Â»Nein, also Mama, nun schau doch mal! Sie sitzt völlig gerade da und hält stolz den Kopf hoch. Wie eine Erwachsene!«
    Â»Ja … wechsle Vera lieber mal die Pampers.«
    Â»Mama, wieso schaust du denn nicht hin! Was soll das mit den Pampers? Schau doch, wie gut sie sitzt!«
    Â»Was gibt’s denn da zu sehen?! Sie klebt eben fest, deswegen sitzt sie so da!«
    Â 
    19. Dezember 2003
Die Frage meiner Identität
    Â 
    Meine Mutter spielt mit Vera im Nachbarzimmer.
    Â»Tu-tu-tu, meine Süße, tu-tu-tu, meine Gute! Du bist die Allerbeste! Ve-rotsch-ka! Was hast du denn, bist du müde? Nein? Saugst an deinen Fingerchen … Hast du Hunger? Ira! Vera hat Hunger! Ira!! Wo bist du denn bloß? Ira! Wo bist du, Kochtopf?«
    Ich bin das Stillen langsam leid …
    Â 
    22. Dezember 2003
Philosophisches
    Â 
    Eine befreundete Künstlerin war gestern bei mir und konnte sich an Vera nicht sattsehen.
    Â»Ira, ich habe morgen eine Präsentation meiner Arbeiten, aber wenn man ein solches Wunder anschaut, dann begreift man, dass man sich mühen kann, wie man will, man bekommt es doch nicht besser hin als die Natur! Da sitzt ein solcher Schatz, die Beinchen voll Cellulite, aber es gibt nichts Schöneres. Und was machen wir – sägen, malen, meißeln … Wie hohl das ist.«
    Â 
    23. Dezember 2003
Philosophisches – 2
    Â 
    Mein Vater sagte vor kurzem bei Veras Anblick:
    Â»Die Frauen haben es leicht. Sie müssen in dieser Welt nichts beweisen. Sie brauchen einfach nur Mutter zu sein. Nicht mehr. Schon haben sie sich verwirklicht und werden geachtet. Sie sind einfach nur Mutter.«
    Sollte das wirklich so einfach sein? Mehr ist nicht nötig?
    Bin ich nicht blöd? Ich hätte gleich mit dreizehn ein Kind bekommen sollen, statt mich mit globalen Fragen herumzuquälen.
    Â 
    25. Dezember 2003
Eine Entdeckung
    Â 
    Als sie heute in der Wanne saß, machte meine Tochter eine Entdeckung. Vera hat gemerkt, dass es spritzt,wenn man mit der Hand auf die Wasseroberfläche schlägt.
    Zu duschen brauchte ich vorm Schlafengehen nicht mehr.
    Â 
    29. Dezember 2003
Kinderalbträume
    Â 
    Vera wacht manchmal mitten in der Nacht auf und weint. Wahrscheinlich träumt sie schlecht. Wie sehen die Schrecken und Albträume bei einem Kind aus, dessen Lebenserfahrung (wenn man den Buddhismus mit seinen früheren Lebensstufen beiseitelässt) ein halbes Jahr plus neun Monate Schwangerschaft beträgt?
    Ich denke, einer der kleinkindlichen Albträume ist die Geburt. Und wenn man noch weiter zurückgeht, nimmt wohl die gynäkologische Untersuchung den ersten Platz in der Hitparade der nächtlichen Horrorträume bei Kindern ein.
    Stellen Sie sich einmal vor, Sie liegen in Ihrem gemütlichen Häuschen und trinken träge einen Cocktail durch einen Nabelschnurstrohhalm. Plötzlich wird die Tür des Hauses zerschmettert und es taucht eine riesige Hand in einem weißen Gummihandschuh im Türrahmen auf. Die Finger, jeder so groß wie Ihr Bein, bewegen sich begehrlich und kommen immer näher, wobei sie alles auf ihrem Weg raubgierig betasten …
    Â 
    30. Dezember 2003
Ballett, Ballett, Ballett …
    Â 
    Vera kann noch nicht laufen, will es aber sehr. Um sie hinzusetzen, muss man ihr gewaltsam die Beine umknicken,die sie ausgestreckt hält wie ein getreuer Zinnsoldat. Das Stehen und Gehen mit Hilfe von tiefgebeugten Erwachsenen sind die neuen Leidenschaften meiner Tochter.
    Meine Mutter sagt, das sei noch harmlos, bald würde Vera richtig mit dem Laufen beginnen, und dann fällt uns allen vor Schmerzen der Rücken ab. Man muss also zufrieden sein, dass Vera bisher nur darum bittet, dass man sie aufstellt, und sich daran freut, dass sie steht.
    Allerdings finde ich, dass sie sehr manieriert dasteht. Sie stellt die Fersen ausschließlich in die dritte Position wie beim Ballett. Die Masseurin meint, sie stelle die Fersen so aus wie Maja Plissezkaja oder Charlie Chaplin, weil sie diese dicken Fettfalten an den Beinen hat.
    Â 
    30. Dezember 2003
Sieben
    Â 
    Heute ist Vera ein kolossaler soziokultureller und psychomotorischer Durchbruch in ihrer Entwicklung gelungen – sie hat gelernt, in die Hände zu

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