Fehlt noch ein Baum
Ort.
»Wozu machst du das, Olga? Bei deinen Körpermassen wirst du dich mindestens ein halbes Jahr an den Geräten plagen müssen. Was willst du in diesem Folterkeller?«
»Darüber habe ich auch schon nachgedacht. Ich mache das wahrscheinlich aus einem Herdengefühl heraus. Aber in zwei Monaten bin ich weg.«
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Wohin ich auch schaue, überall wird Fitness betrieben. Man martert seinen Körper an verschiedenen Sportgeräten. Im Grunde genommen benehmen sich die Leute wie christliche Asketen, die sich von Honig und Heuschrecken ernähren und dabei vierzig Tage auf einem Pfeiler stehen.
Und worin liegt der höhere Sinn der Fitness? Welches ist ihr weltumspannendes Ziel?
Man braucht mir bloà nicht zu erzählen, dass die Fitness für die Gesundheit erdacht wurde. Diese
exercises
werden vor allem von jungen und gesunden Leuten ausgeübt â die ältere Generation sitzt mit einer Pizza vorm Fernseher.
Es ist eine völlig sinnlose Kraftverschwendung! Anstatt die Böden zu schrubben, einen Kirschgarten anzulegen oder ein Haus zu bauen, macht ein junger, gesunderMensch erst hundert Pressübungen und dann hundert Schwungübungen und dann noch dreihundert Kniebeugen, um danach wieder von vorn zu beginnen. Und so geht das dreimal die Woche für ordentlich Kohle. Ich finde das absurd.
Und es ist eine absolut ziellose Zeitverschwendung: man geht ständig zu dieser angesagten Gymnastik, nimmt ab und stärkt die Pomuskeln. Hört man damit auf, kehren die Pobacken nach einem halben Jahr zu dem ihnen eigenen fettansammelnden Ideal zurück. Da hilft auch alle Katharsis und Ekstase nichts.
Das Problem ist ernst, wie mir scheint. Warum zerstört man das ökologische Gleichgewicht der Erde, wenn man Energie nicht nur aus Sonnenkraft, sondern sogar durch den Menschen gewinnen könnte? Immerhin gibt es so viele Menschen auf der Welt, die Fitness betreiben!
Wenn man nun an jedes Kettler-Gerät oder an die Klimmstangen einen Energietransformator anschlieÃen würde, der die angesammelte Energie zum Beispiel zur Rüstungsindustrie übertragen würde?
Durch die Energietransformatoren könnte man auÃerdem dem sinnlosen Shaping und Body building einen sozialen Anstrich geben. Die Energie würde in Waisenhäusern und Altersheimen und für die Invaliden des Zweiten Weltkriegs benötigt. Auf diese Weise könnten Menschen, die sich ihre Bizepse und Trizepse aufpumpen, eine gute Tat vollbringen! Mir scheint, dass Menschen von ihrer Geburt an geneigt sind, Gutes zu tun, aber von ihrer naturgegebenen Trägheit daran gehindert werden. Man sollte der Menschheit den Weg zu guten Taten ebnen!
Meiner Meinung nach könnten wir mit Hilfe einerentsprechend machtvollen Werbekampagne unser Land durch die Freunde von Fitness, Bodybuilding und Extremsportarten zu den zehn Besten der Erde machen!
»Da hast du aber was gesagt, Ira, du solltest in die Politik gehen. Meine Stimme ist dir sicher.«
»Olga, ich will nur das Copyright, die Verantwortung sollen lieber andere übernehmen. Sag mal, sehe ich schrecklich aus?«
»Tut dir was weh?«
»Alles. Mein Zahnfleisch blutet, meine Haut juckt, mein Rücken bringt mich um, ich habe Magenschmerzen â¦Â«
»Eine Schwangerschaft verstärkt immer alle chronischen Krankheiten, die man vorher schon hatte.«
»Und vom psychologischen Standpunkt?«
»Immer musst du alles analysieren und in deinem Inneren wühlen. Das ist völlig sinnlos. Obwohl, du bist ja eine Spätgebärende.«
»In welchem Sinne?«
»Na, Frauen über zwanzig werden in den Entbindungsstationen Spätgebärende genannt. Das ist keine Beleidigung, man nennt sie einfach so.«
»Alle, die ich kenne, gebären nach ihrem fünfundzwanzigsten Lebensjahr. Und alle haben Probleme, nebenbei gesagt. Ich bin noch eine ziemlich ausgeglichene Schwangere â¦Â«
»Gebären muss man entweder im unbewussten Alter vor zwanzig oder um die fünfzig, wenn man vom Leben nichts mehr erwartet. Dann bekommt man seine Rente und zieht ein Kind auf. Und man ist der Psychoanalyse nichts mehr schuldig.«
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Ungefähr nach ihrem fünfundzwanzigsten Lebensjahr fängt eine kinderlose Frau an, sich zu fragen, »Will ich ein Kind oder nicht?«, und wenn ja, dann: »Wann?«
Meine Mutter meint dazu: »Es gibt keinen richtigen Zeitpunkt für ein Kind, nicht mit zwanzig, nicht mit
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