Feierlaune - Eine Facebook-Party
Hermann H. und die Lebensdaten…«
Cat blätterte in den Seiten, die Mascha ausgedruckt hatte. » Hier stehen sie«, sagte sie. » 1877 bis 1962. He, da ist auch ’ne Lebensbeschreibung dabei, ganz kurz. Die können wir doch einfach übernehmen.«
» Klar«, sagte Mascha. » Und danach bringen wir dann ein richtiges Foto von ihm.« Jetzt kicherte sie auch. » Vom Gesicht, meine ich.«
Als sie den Lebenslauf fertig hatten, holte Mascha den Roman. Da sie ihn beide noch nicht gelesen hatten, einigten sie sich darauf, ihn sich gegenseitig vorzulesen. Cat fing an:
» Herr Joseph Giebenrath, Zwischenhändler und Agent«, las sie, zögernd zunächst, die Worte mit der Zunge prüfend, » zeichnete sich durch keinerlei Vorzüge oder Eigenheiten vor seinen Mitbürgern aus. Er besaß gleich ihnen eine breite, gesunde Figur, eine leidliche kommerzielle Begabung, verbunden mit einer aufrichtigen, herzlichen Verehrung des Geldes, ferner ein kleines Wohnhaus mit Gärtchen, ein Familiengrab auf dem Friedhof, eine etwas aufgeklärte und fadenscheinig gewordene Kirchlichkeit, angemessenen Respekt vor Gott und der Obrigkeit und blinde Unterwürfigkeit gegen die ehernen Gebote der bürgerlichen Wohlanständigkeit …« Cat ließ das kleine graue Buch sinken.
» He, Cat«, sagte Mascha begeistert. » Du kannst ja lesen!«
Jetzt klappte Cat empört das Buch zu. Sie warf es auf den Tisch. » Sag mal, du hast sie wohl nicht alle…!«
» Nein, nein, ich mein das ganz ernst.« Mascha setzte sich auf dem Bett auf. Sie war richtig aus dem Häuschen. » Du hast da was. Wirklich! Deine Stimme klingt so… ach, ich weiß nicht… irgendwie geht mir das durch und durch. Ich könnte dir ewig so zuhören. Ich seh diesen Mister Giebenrath direkt vor mir. Fett, selbstgefällig und immer das letzte Wort.«
» Echt? Findest du wirklich, dass ich gut vorlese?«
So hatte es angefangen.
Eigentlich wollten sie sich nur die ersten paar Seiten von Unterm Rad vorlesen. Immer abwechselnd. Wer keine Lust hatte, weiter vorzulesen, sollte das Buch einfach der anderen rübergeben. Nach dem ersten Kapitel wollten sie dann die dazugehörigen Aufgaben für das Lesetagebuch in Angriff nehmen.
Mascha schloss die Augen und stellte sich das Schwarzwalddorf vor, in dem dieser Oberspießer Giebenrath lebte. Aber sie war noch nie im Schwarzwald gewesen. Sie merkte, dass sie nicht mal genau wusste, wo der eigentlich lag, und sie bedauerte das auf einmal.
» Er hätte mit jedem beliebigen Nachbarn Namen und Wohnung vertauschen können, ohne dass irgendetwas anders geworden wäre«, las Cat, und Mascha fragte sich, warum Hesse über so einen wohl einen Roman geschrieben hatte.
» Aber dieser Mann hatte einen einzigen Knaben«, las Cat weiter, » und von dem ist zu reden. Hans Giebenrath war ohne Zweifel ein begabtes Kind; es genügte, ihn anzusehen, wie fein und abgesondert er zwischen den anderen herumlief.«
Ach deshalb, dachte Mascha. Thema Hochbegabte. Das kann ja gar nicht gut gehen.
Sie überließ sich ganz Cats Stimme, die jetzt alles Rotzige und Aggressive verloren hatte und sehr sanft klang.
Irgendwann– der hochbegabte Hans war schon mit seinem Vater nach Stuttgart gereist, das Landexamen hatte begonnen– ließ Cat zögernd das Buch sinken. » Willst du nicht auch mal?«
Mascha öffnete die Augen. » Was ist los? Warum hörst du auf?«
Cat las weiter.
Sie las das ganze erste Kapitel, immerhin 26 Seiten. Als sie zum Ende kam, kriegte sie plötzlich doch wieder ein schlechtes Gewissen. » Jetzt hast du überhaupt nicht gelesen.«
» Macht doch nichts.« Mascha öffnete die Augen. » Lies noch ein Stück weiter, ja?«
» Aber wir wollten doch erst diese Aufgaben zum ersten Kapitel…«
» Später«, murmelte Mascha, die sich schon wieder ausgestreckt hatte. » Es war so schön. Wir bearbeiten dann einfach mehrere Kapitel zusammen. Komm, lies weiter!«
Cat hatte gerade das dritte Kapitel begonnen. Da wurde plötzlich die Tür aufgestoßen. Die Mädchen fuhren auf. Sie waren in einer anderen Welt. Sie hatten beide total die Zeit vergessen.
» Was’n hier los?« Maschas großer Bruder kam rein, den Kopf fast kahl geschoren, eine Bierdose in der Faust. Weder Mascha noch Cat hatten die Wohnungstür gehört.
» Hallo, Tony.« Mascha hatte sich gefangen. » Wir machen gerade… Ey!« Sie sprang vom Bett auf. » Lass das! Ich weiß gar nicht, ob wir gesichert haben!«
Ihr Bruder schaltete den PC einfach aus. Als das nicht sofort klappte, zog er den
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