Feind aus der Vergangenheit
sie die Kosten dafür. Frau Becker hat noch weniger Rente als
ich.“
„Du läßt die Frau nicht rein.
Klar? Du gibst ihr die Zeitung an der Tür.“
„So mache ich’s doch immer.“
„Und kein falsches Wort. Ich
stelle mich hinter die Tür und passe auf.“
Flerbert erwiderte nichts. Eine
Idee formte sich in seinem Kopf, ein Plan. Der erforderte Opfer. Ein schmerzhaftes
Opfer. Aber Herbert wußte in diesem Moment, daß er es auf sich nehmen würde.
Spähtvolger hatte das Frühstück
beendet und fläzte jetzt im Wohnzimmer auf der Couch.
Herbert, den er ständig im Auge
behielt, mußte sich in einen der Sessel setzen.
Spähtvolger döste. Und war
überrascht, als er plötzlich angegriffen wurde von dem schmächtigen, ältlichen
Mann.
Herbert stürzte sich auf ihn,
die Fäuste geballt. Und hatte schon verloren. Denn Spähtvolger war stark und
behende trotz seiner Fettmassen.
Herbert wurde gegen die Wand
geschleudert. Dann hagelte es Hiebe in sein Gesicht.
„Heimtückischer Mistkerl!“
Spähtvogler fluchte, aber nur halblaut, denn die Wände waren dünn in diesem
Mietshaus.
Halb bewußtlos fiel Herbert zu
Boden, blutete aus der Nase, hatte Abschürfungen auf Stirn und Wangen. Die
Oberlippe war aufgeplatzt. Und der Kopf dröhnte.
„Idiot!“ schimpfte Spähtvolger.
„Was bildest du dir ein? Daß du mich niedermachen kannst?“
Später schleppte sich Herbert
ins Bad und wusch das Blut ab. Sein Gesicht sah schlimm aus. Wie wunderbar! Er
lächelte sein Spiegelbild an. Konnte er sich so vor Frau Becker zeigen?
„Ich gehe an die Tür“, sagte
Spähtvolger, „und gebe der Alten die Zeitung. Ich bin ein Freund von dir, klar?
Du bist gerade auf dem Klo. Und muckst dich nicht.“
Es gelingt, dachte Herbert,
aber er verzog keine Miene. Es gelingt. Der Kerl hat noch nicht in die Zeitung
gesehen. Er ahnt nichts von seinem Foto. Meine Verletzungen sind nicht umsonst.
9. Begegnung bei Tobernargl
Es wurde später Vormittag. Doch
Tim gab nicht auf. Inzwischen kannte er jedes Haus in der Gegend um
Trebbenheuer-Straße und Erinnerungs-Kirche, kannte jedes Tor, jede Einfahrt,
jeden Hof.
Die Gegend sah altstädtisch
aus, war verschachtelt. Ausländer wohnten hier und Kleinrentner. Für jemanden,
der Bescheid wußte, gab es ungezählte Verstecke.
Ich kann nur auf einen Zufall
hoffen, dachte der TKKG-Häuptling. Darauf, daß sich der Kerl wieder hervorwagt
und mir über den Weg läuft.
Das Wetter war nicht so schön
wie gestern, grau der Himmel. Aber der Wind, der durch die Straßen wehte, war
lau, als hätte er sich südlich der Alpen auf die Reise gemacht.
Vorhin hatte Tim etliche
Streifenwagen gesehen, die langsam umher fuhren, besetzt mit jeweils zwei
Beamten, von denen einer Ausschau hielt — konzentriert jedenfalls, denn der
andere mußte auch auf den Verkehr achten.
Inzwischen hatte die Polizei
wohl aufgegeben. Denn nur noch selten bemerkte er ein Fahrzeug mit Ordnungshütern.
Um so besser, überlegte er.
Sobald die Luft rein ist, wagt sich Teiggesicht hervor. Jedenfalls hoffe ich
das.
*
Lothar Korf, das Geiergesicht,
nahm den Hörer ab und meldete sich mit einem Grunzlaut, ohne seinen Namen zu
nennen.
„Ich bin’s“, hörte er
Spähtvolgers Stimme.
„Verdammt! Wo steckst du?“
„Ich mußte mich verkriechen.
Bei einem morschen Typ in der Wohnung. Bin zufällig bei ihm reingeraten. Hätte
ebenso gut jeder andere sein können. O Mann! Ich könnte Haruschner umbringen.
Dieser Bulle hat mich verzinkt. Und das, obwohl ich sein Schwager bin.“
„Was ist? Ich verstehe kein
Wort.“
„Gestern hat er sich mit mir in
Verbindung gesetzt — über die WEINREBE. Du weißt schon. Und dann..
Er erzählte. Und schloß damit:
„...sah Haruschner zum Glück den Jungen. Tim heißt er. Ja, ist der Sohn von
Susanne Carsten. Offenbar ein gewiefter Typ. Er muß Haruschner gefolgt sein.
Und hat uns beobachtet. Dann hat eine Frau ihn abgelöst — die Freundin von der
Carsten, wie Haruschner mir sagte, und der Bengel ist weg. Das war meine
Rettung. Ich bin getürmt. Haruschner hat versprochen, daß er dichthält. Aber
offensichtlich hat er mich hochgehen lassen.“
„Wie kommst du darauf?“
„Vorhin — ich war auf dem Weg
zu dir — hat mich jemand auf der Straße erkannt. Eine Frau. Und einen Moment
später waren die Bullen hinter mir her. Da kam nämlich gerade ein Streifenwagen
vorbei. Verdammtes Pech! Jetzt sitze ich hier fest und kann mich nicht
rauswagen. Muß warten, bis es dunkel
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